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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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die Azteken wie sie über ihn, doch er und seine Männer hatten gegenüber ihrem Gegner einen entscheidenden Vorteil. Während die Azteken durch nichts auf die Begegnung mit den sonderbar aussehenden und übelriechenden Aliens vorbereitet waren, wussten die Spanier, dass die Erde voller unbekannter menschlicher Welten war, und sie waren im Überfall auf diese Welten bestens geübt. Sie hatten große Erfahrung bei der Besetzung fremder Länder gesammelt und wussten, wie sie mit Situationen umzugehen hatten, in denen sie nicht das Geringste wussten. In unbekannten Welten fühlten sich die modernen europäischen Eroberer und Wissenschaftler in ihrem Element.
    Als Cortés im Juli 1519 an diesem sonnigen Strand an Land ging, wusste er, was er zu tun hatte. Wie ein Außerirdischer, der einem Raumschiff entsteigt, erklärte er den verblüfften Einheimischen: »Wir kommen in friedlicher Absicht. Bringt uns zu eurem Anführer.« Cortés erklärte, er sei ein Botschafter des großen Königs von Spanien und bat um ein diplomatisches Gespräch mit dem Aztekenherrscher Moctezuma II . (Das war eine schamlose Lüge, denn Cortés führte eine unabhängige Truppe von gierigen Abenteurern an. Der König von Spanien hatte weder von Cortés noch von den Azteken gehört.) Cortés erhielt Führer, Essen und Unterstützung von den Einheimischen, die Feinde der Azteken waren. Dann marschierte er in Richtung der Hauptstadt des Aztekenreichs, der großen Metropole Tenochtitlan.
    Die Azteken, die nichts von dem Völkermord in der Karibik mitbekommen hatten, ahnten nicht, in welcher Gefahr sie schwebten. Sie erlaubten den Außerirdischen, bis zu ihrer Hauptstadt zu marschieren und arrangierten sogar ein Gespräch zwischen dem Anführer der Aliens und ihrem Herrscher Moctezuma. Während dieser Begegnung gab Cortés plötzlich ein Zeichen und seine bis an die Zähne mit Schwertern und Rüstungen bewaffneten Begleiter ermordeten Moctezumas Leibwache (die eine Rüstung aus Baumwolle trugen und mit Holzkeulen und Steinäxten bewaffnet waren).
    Cortés befand sich in einer schwierigen Lage. Er hatte zwar den Herrscher als Geisel genommen, doch er war von Zehntausenden wütenden Aztekenkriegern und Millionen feindlichen Indios umringt und befand sich auf einem Kontinent, von dem er praktisch nichts wusste. Er hatte einige Hundert spanische Soldaten zur Verfügung, und die Verstärkung war 1500 Kilometer entfernt auf Kuba.
    Cortés hielt Moctezuma in seinem Palast gefangen und tat so, als bliebe Moctezuma freiwillig, und als sei der »spanische Botschafter« nicht mehr als ein Gast. Moctezuma spielte mit – vielleicht wurde er Opfer einer Art Stockholm-Syndrom und schlug sich auf die Seite seiner Entführer. Das Aztekenreich war extrem zentralistisch organisiert und von dieser beispiellosen Situation völlig gelähmt. Moctezuma verhielt sich nach wie vor wie ein Herrscher, und die aztekische Elite gehorchte ihm, was wiederum bedeutete, dass sie Cortés gehorchte. Inzwischen verhörte Cortés Moctezuma und seine Begleiter, darunter Dolmetscher, die mehrere Sprachen der Region beherrschten. Außerdem schickte er Expeditionstrupps aus, um das Aztekenreich und seine Einwohner besser kennenzulernen.
    Schließlich lehnten sich die Azteken doch noch gegen Cortés und Moctezuma auf, wählten einen neuen König und vertrieben die Spanier aus Tenochtitlan. Doch inzwischen hatte ihre Macht Risse bekommen, und Cortés nutzte sein Wissen, um diese Risse aufzubrechen und das Reich von innen heraus zu sprengen. Unter anderem brachte er viele der von den Azteken unterworfenen Völker auf seine Seite. Diese Völker verrechneten sich gründlich. Sie hassten die Azteken, doch sie hatten keine Ahnung vom Völkermord in der Karibik. Sie nahmen an, die Spanier würden ihnen helfen, das Joch der Azteken abzuschütteln – dass die Spanier danach das Zepter in die Hand nehmen könnten, kam ihnen nie in den Sinn. Wenn Cortés mit seinen paar Hundert Schergen Ärger machen würde, dann würde man schon mit ihm fertigwerden. Die aufrührerischen Stämme stellten Cortés Zehntausende Krieger zur Verfügung, und mit dieser Armee belagerte Cortés Tenochtitlan und eroberte die Stadt schließlich.
    Nun kamen mehr und mehr spanische Soldaten und Siedler nach Mexiko, einige aus Kuba, andere direkt aus Spanien. Als die Einheimischen erkannten, was gespielt wurde, war es bereits zu spät. Hundert Jahre nach der Landung der Spanier in Veracruz war die Zahl der Ureinwohner um 90 Prozent

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