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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Persische Reich. Sie herrschten über viele Millionen Untertanen und hatten Armeen mit Zehntausenden Soldaten. Im Jahr 221 v. u. Z.wurde China von der Qin-Dynastie geeint, und kurz darauf brachte Rom den gesamten Mittelmeerraum unter seine Herrschaft. Die 40 Millionen Steuerzahler der Qin-Dynastie finanzierten ein Heer mit Hunderttausenden Soldaten und eine Bürokratie mit fast ebenso vielen Beamten. Das Römische Reich hatte auf seinem Höhepunkt mehr als 100 Millionen Einwohner; diese finanzierten mit ihren Steuern ein stehendes Heer mit einer viertel bis einer halben Million Soldaten, ein Straßennetz, das noch anderthalb Jahrtausende später genutzt wurde, sowie Theater und Amphiteather, in denen bis heute Veranstaltungen stattfinden.
    So beeindruckend das sein mag, wir sollten uns keiner allzu rosigen Illusion über die »Massenkooperation« im Ägypten der Pharaonen und im Römischen Reich hingeben. »Kooperation« klingt nach Güte und Altruismus, doch die Zusammenarbeit war selten freiwillig oder gar gleichberechtigt. Im Gegenteil, Kooperation ging meist mit Unterdrückung und Ausbeutung einher. Die berühmten römischen Amphitheater wurden von Sklaven erbaut und waren Schauplatz von Gladiatorenkämpfen, an denen sich die Elite ergötzte. Selbst Gefängnisse und Konzentrationslager sind Kooperationsnetzwerke und können nur funktionieren, weil Tausende von Menschen koordiniert zusammenarbeiten.
    *
    Diese Kooperationsnetzwerke – angefangen von Mesopotamien über die Qin-Dynastie bis zum Römischen Reich – waren »erfundene Ordnungen«. Die gesellschaftlichen Normen, die sie zusammenhielten, hatten ihren Ursprung weder in angeborenen Instinkten noch in persönlichen Bekanntschaften, sondern in gemeinsamen Glaubensvorstellungen und Mythen.
    Aber wie können Mythen ein ganzes Imperium tragen? Ein Beispiel dafür haben wir bereits gesehen, nämlich Peugeot. Um die Frage klarer zu machen, wollen wir uns zwei der bekanntesten Mythen der Geschichte ansehen: Den Kodex Hammurabi aus dem Jahr 1776 vor unserer Zeitrechnung, der das Zusammenleben von Hunderttausenden Menschen im Babylonischen Reich regelte, und die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1776, die bis heute das Zusammenleben von Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten regelt.
    Im Jahr 1776 v. u. Z. war Babylon die größte Stadt der Welt. Das Babylonische Reich war eines der größten Imperien seiner Zeit und hatte mehr als eine Million Einwohner. Es beherrschte weite Teile Mesopotamiens, des Zweistromlands zwischen Eufrat und Tigris, das sich über die Osthälfte des heutigen Irak und Syriens sowie den Westen des heutigen Iran erstreckte. Der bekannteste Herrscher dieses Reichs war Hammurabi, der vor allem durch den nach ihm benannten Kodex bekannt wurde. Bei diesem Kodex handelt es sich um einen Katalog von richterlichen Entscheidungen, die Hammurabi zu verschiedenen Gelegenheiten gefällt hatte. Mit seinem Kodex wollte sich Hammurabi als Vorbild eines gerechten Herrschers präsentieren und künftigen Generationen demonstrieren, wie Gerechtigkeit auszusehen und wie ein gerechter König zu handeln hat.
    Die folgenden Generationen nahmen ihn sich tatsächlich zum Vorbild. Die geistige und bürokratische Elite Mesopotamiens verehrte den Text und Schreiberlinge kopierten ihn noch, lange nachdem Hammurabi längst tot und sein Reich versunken war. Der Kodex Hammurabi vermittelt daher einen guten Eindruck davon, wie sich die alten Mesopotamier eine ideale Gesellschaftsordnung vorstellten. 37
    Der Text beginnt mit der Erklärung, die Götter Anu, Enlil und Marduk – die wichtigsten Götter im mesopotamischen Pantheon – hätten Hammurabi berufen, »um das Recht im Lande zur Geltung zu bringen, den Schlechten und Bösen zu vernichten, damit der Starke dem Schwachen nicht schade«. 38 Es folgen etwa 300 Beispiele für Hammurabis Rechtsprechung, die immer nach derselben Formel funktionieren: »Wenn jemand dies und jenes tut, erfolgt dieses und jenes Urteil«. Zum Beispiel:
    196. Gesetzt, ein Mann hat das Auge eines Freigeborenen ausgestochen, so wird man sein Auge ausstechen.
    197. Gesetzt, ein Mann hat den Knochen eines Freigeborenen gebrochen, so wird man seinen Knochen brechen.
    198. Gesetzt, ein Mann hat das Auge eines Sklaven ausgestochen oder den Knochen eines Sklaven gebrochen, so wird er den halben Wert des Sklaven in Silber zahlen. 39
    209. Gesetzt, ein Mann hat eine Freigeborene geschlagen und sie hat dadurch ihre Leibesfrucht

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