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Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Menschheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yuval Noah Harari
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Stellen geknotet. Ein einzelner Quipu kann aus Hunderten von Schnüren und Tausenden von Knoten bestehen. Mit der Kombination von unterschiedlichen Knoten, Schnüren und Farben ließen sich große Mengen mathematischer Daten festhalten, zum Beispiel Steuereinnahmen und Besitzurkunden. 45
    Im Vergleich zu einem USB -Stick mag uns ein Quipu primitiv erscheinen, doch er war ein sehr wirkungsvolles Instrument zur Speicherung von Daten und Zahlen. Mithilfe dieser Schnüre wurden über Jahrhunderte und vielleicht Jahrtausende hinweg Städte, Königreiche und Imperien verwaltet. 46 Ihr volles Potenzial entfalteten sie unter den Inkas, deren Reich 10 bis 12 Millionen Einwohner hatte und sich über die heutigen Staaten Peru, Ecuador und Bolivien sowie Teile von Chile, Argentinien und Kolumbien erstreckte. Mithilfe der Quipus konnten die Inkas große Mengen von Information über ihr Imperium speichern und verarbeiten und ihre komplexe Verwaltung aufrechterhalten.
    Die Quipus waren derart effektiv, dass die Spanier sie in den ersten Jahren nach der Eroberung des Inkareichs verwendeten, um ihre neue Kolonie zu verwalten. Doch da die Spanier diese Schnüre nicht selbst lesen und schreiben konnten und auf die Hilfe der einheimischen Experten angewiesen waren, befürchteten sie irgendwann, sie könnten über den Tisch gezogen werden. Nachdem sie ihre Kolonialherrschaft etabliert hatten, ersetzten sie die Quipus durch lateinische Buchstaben und arabische Ziffern. Nur wenige Quipus überlebten die Kolonialherrschaft, und die meisten davon sind heute nicht mehr zu entschlüsseln, da die Kunst der Knotenschrift untergegangen ist.

    14. Ein Quipu aus den Anden (12. Jahrhundert)
    Die Wunder der Bürokratie
    Anders als in den Anden wollten die Menschen in Mesopotamien bald auch andere Dinge festhalten als langweilige Bilanzen. Zwischen 3000 und 2500 v. u. Z. kamen immer mehr Zeichen hinzu, und die sumerische Schrift verwandelte sich allmählich in ein vollständiges Schriftsystem, das als »Keilschrift« bezeichnet wird. Um das Jahr 2500 v. u. Z. wurden in dieser Keilschrift königliche Edikte, literarische Texte und sogar private Briefe niedergeschrieben. Etwa um diese Zeit entwickelten die Ägypter eine eigene Schrift, nämlich die Hieroglyphen. Weitere vollständige Schriftsysteme entstanden in China um das Jahr 1200 v. u. Z. und in Mittelamerika zwischen 1000 und 500 v. u. Z.
    Von diesen Ursprüngen breiteten sich die Schriftsysteme in alle Himmelsrichtungen aus, veränderten ihre Formen und wurden zu immer neuen Zwecken verwendet. Die Menschen begannen, Gedichte, Geschichtsbücher, Liebesgeschichten, Theaterstücke, heilige Schriften und Kochbücher niederzuschreiben. Doch die wichtigste Aufgabe der Schrift blieb die Verarbeitung endloser mathematischer Daten, und diese wiederum blieb die Domäne der partiellen Schriftsysteme. Die hebräische Bibel, die griechische Ilias, das hinduistische Mahabarata, der buddhistische Pali-Kanon und die christlichen Evangelien begannen alle in Form von mündlichen Überlieferungen und hätten ohne die Schrift nie überlebt. Doch die Steuerbuchhaltung und komplizierte bürokratische Systeme entstanden Hand in Hand mit den partiellen Schriftsystemen und blieben mit diesen verbunden wie siamesische Zwillinge.
    Doch je mehr niedergeschrieben wurde und je weiter die Ordner der Verwaltung anschwollen, umso größer wurde ein neues Problem. Die Informationen, die in einem Gehirn abgelegt werden, sind leicht aufzufinden. In meinem Gehirn sind Milliarden von Informationen gespeichert, doch ich kann in Sekundenschnelle den Namen der Hauptstadt Italiens abrufen, mich kurz darauf daran erinnern, wo ich am 11. September 2001 war und danach den Weg von meiner Wohnung zu meinem Arbeitsplatz an der Universität von Jerusalem rekonstruieren. Niemand weiß, wie wir das schaffen, doch es ist allgemein bekannt, wie erstaunlich effizient die Suchmaschine unseres Gehirns ist. Außer wenn wir versuchen, uns daran zu erinnern, wo wir die Autoschlüssel hingelegt haben.
    Aber wie finden Sie eine bestimmte Information, die Sie irgendwann in irgendwelche Kordeln geknotet oder Tontäfelchen geritzt haben? Solange Sie nur zehn oder hundert davon haben, ist das nicht weiter schwierig. Aber was machen Sie, wenn Sie Tausende angesammelt haben, wie König Zimri-Lim von Mari (ein Zeitgenosse des babylonischen Königs Hammurabis)?
    Stellen Sie sich vor, wir befinden uns im Jahr 1776 vor unserer Zeitrechnung. Zwei Einwohner von Mari

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