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Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)

Titel: Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hawking
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selbst und ließ die Sätze von einem meiner Studenten wiederholen. Das ging gut, und ich hatte viel mehr Kontakt zu meinen Zuhörern. Unter ihnen befand sich der junge russische Wissenschaftler Andrej Linde vom Lebedew-Institut in Moskau. Er meinte, das Problem mit den nicht miteinander verbundenen Blasen würde nicht entstehen, wenn sie solche Ausmaße hätten, daß unsere ganze Region des Universums in einer einzigen Blase enthalten wäre. Dazu, so fuhr er fort, müsse sich der Wandel von der Symmetrie zur gebrochenen Symmetrie innerhalb der Blase sehr langsam vollzogen haben, doch das sei nach den Großen Vereinheitlichten Theorien durchaus möglich. Lindes Gedanke vom langsamen Bruch der Symmetrie war sehr gut, doch später wurde mir klar, daß seine Blasen hätten größer sein müssen als das Universum zum betreffenden Zeitpunkt! Ich wies nach, daß die Symmetrie gleichzeitig überall gebrochen wäre und nicht nur innerhalb der Blasen. Das brächte ein gleichförmiges Universum hervor, wie wir es beobachten. Dieser Gedanke versetzte mich in ziemliche Aufregung, und ich erörterte ihn mit Ian Moss, einem meiner Studenten. Als Lindes Freund geriet ich deshalb in Verlegenheit, als mir später sein Artikel von einer wissenschaftlichen Zeitschrift zugesandt wurde und ich zu der Frage Stellung nehmen sollte, ob er sich zur Veröffentlichung eigne. Ein Fehler sei, so antwortete ich, daß die Blasen größer gewesen wären als das Universum, der Grundgedanke eines langsamen Symmetriebruches jedoch sei exzellent. Ich empfahl, den Artikel in der vorliegenden Form zu veröffentlichen, weil Linde mehrere Monate gebraucht hätte, um ihn zu korrigieren, denn alles, was in den Westen geschickt wurde, mußte durch die sowjetische Zensur, die solche wissenschaftlichen Artikel weder sehr geschickt noch sehr schnell bearbeitete. Statt dessen schrieb ich zusammen mit Ian Moss für dieselbe Zeitschrift einen kurzen Aufsatz, in dem wir auf das Problem der Blasengröße hinwiesen und zeigten, wie es sich lösen ließe.
    An dem Tag nach meiner Rückkehr aus Moskau machte ich mich auf den Weg nach Philadelphia, wo mir eine Medaille des Franklin Institute verliehen werden sollte. Meine Sekretärin Judy Fella hatte es mit ihrem unwiderstehlichen Charme erreicht, daß die British Airways ihr und mir einen Freiflug in einer Concorde spendierten – eine Maßnahme, die unter Öffentlichkeitsarbeit verbucht wurde. Auf dem Weg zum Flughafen wurde ich jedoch durch einen Wolkenbruch aufgehalten und versäumte das Flugzeug. Trotzdem kam ich noch rechtzeitig nach Philadelphia, um meine Medaille entgegenzunehmen. Dort bat man mich, an der Drexel University eine Reihe von Vorträgen über das Universum mit Inflationsphase zu halten, über das gleiche Thema also wie in Moskau.
    Unabhängig davon entwickelten ein paar Monate später Paul Steinhardt und Andreas Albrecht von der University of Pennsylvania einen Gedanken, der Lindes Theorie sehr ähnelte. Diese beiden Wissenschaftler gelten heute zusammen mit Linde als Begründer der «neuen Inflationstheorie», die auf dem Gedanken eines langsamen Symmetriebruches beruht. (Die alte Inflationstheorie war Guths ursprüngliche These vom raschen Symmetriebruch mit der Bildung von Blasen.)
    Die neue Inflationstheorie war ein guter Ansatz zur Erklärung des gegenwärtigen Zustands des Universums. Doch haben mehrere Wissenschaftler, unter anderem auch ich, nachgewiesen, daß diese Theorie weit größere Schwankungen in der Temperatur des Mikrowellen-Strahlungshintergrundes vorhersagt, als tatsächlich zu beobachten sind. Aufgrund späterer Arbeiten ist auch zu bezweifeln, ob im sehr frühen Universum ein Phasenübergang der erforderlichen Art möglich gewesen ist. Nach meiner Überzeugung ist das neue Inflationsmodell heute überholt, obwohl sich dies bei vielen Wissenschaftlern noch nicht herumgesprochen zu haben scheint, so daß sie ihm Artikel widmen, als sei es noch ein zukunftsweisender Ansatz. Ein besseres Modell, die sogenannte Theorie der chaotischen Inflation, wurde 1983 von Linde vorgeschlagen. In ihr gibt es keinen Phasenübergang und keine Unterkühlung, statt dessen ein Feld mit Spin 0, das im frühen Universum infolge von Quantenfluktuationen hohe Werte in einigen Regionen aufwies. Nach dieser Theorie verhielt sich die Feldenergie in jenen Regionen wie eine kosmologische Konstante. Sie hatte einen abstoßenden Gravitationseffekt und veranlaßte die betreffenden Regionen, sich inflationär

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