Eine kurze Geschichte der Zeit (German Edition)
Querschnitt der Röhre ist ein Kreis, der der Position des String zu einem bestimmten Zeitpunkt entspricht.
Zwei Stringstücke können sich zu einem einzigen String verbinden: Im Fall offener Strings schließen sie sich einfach an den Enden zusammen (Abb. 29), während der Vorgang bei geschlossenen Strings der Verbindung zweier Hosenbeine zu einer Hose ähnelt (Abb. 30). Entsprechend kann sich ein einzelnes Stringstück in zwei Strings aufteilen. In der Stringtheorie werden die Objekte, die man sich vorher als Teilchen vorstellte, als Wellen dargestellt, die das String entlangwandern wie die Wellen auf einer vibrierenden Drachenschnur. Die Emission eines Teilchens und seine Absorption durch ein anderes entsprechen der Teilung beziehungsweise dem Zusammenschluß von Strings. So führen Teilchentheorien zum Beispiel die Gravitationswirkung der Sonne auf die Erde darauf zurück, daß ein Graviton von einem Teilchen in der Sonne emittiert und von einem Teilchen in der Erde absorbiert wird (Abb. 31). In der Stringtheorie entspricht dieser Vorgang einem H-förmigen Rohr (Abb. 32). (In gewisser Weise hat die Stringtheorie Ähnlichkeit mit der Klempnerei.) Die beiden senkrechten Seiten des H repräsentieren das Teilchen in der Sonne und in der Erde, während die waagerechte Querverbindung dem Graviton entspricht, das sich von einem zum anderen bewegt.
Die Stringtheorie hat eine eigenartige Geschichte. Sie wurde Ende der sechziger Jahre entwickelt, weil man nach einer Theorie suchte, die die starke Kraft beschreibt. Man ging von dem Gedanken aus, daß Teilchen wie Protonen und Neutronen als Wellen auf einer Saite (String) angesehen werden können. Die starken Kräfte zwischen den Teilchen entsprechen dann den Stringstücken, die wie in einem Spinnennetz andere Stringabschnitte miteinander verbinden. Um den beobachteten Wert der starken, zwischen Teilchen wirksamen Kraft zu erreichen, mußten die Strings Gummibändern gleichen, die mit einer Zugkraft von ungefähr zehn Tonnen ausgestattet sind.
Abb. 31 und 32: In der Teilchentheorie wird die Ursache von Fernwirkungskräften als Austausch eines kräftetragenden Teilchens dargestellt, in der Stringtheorie dagegen als Verbindung von Röhren.
1974 veröffentlichten Joël Scherk aus Paris und John Schwarz vom California Institute of Technology einen Artikel, in dem sie zeigten, daß sich mit der Stringtheorie auch die Gravitationskraft beschreiben läßt, allerdings nur, wenn man eine sehr viel höhere Stringspannung von ungefähr tausend Millionen Millionen Millionen Millionen Millionen Millionen (eine 1 mit 39 Nullen) Tonnen zugrunde lege. Bei normalen Größenverhältnissen kommt man mit der Stringtheorie zu den gleichen Vorhersagen wie die Allgemeine Relativitätstheorie. Bei sehr geringen Abständen jedoch – kleineren als einem Tausend-Millionen-Millionen-Millionen-Millionen-Millionstel eines Zentimeters – zeigten sich Unterschiede. Doch die Arbeit der beiden Wissenschaftler fand nicht viel Resonanz, weil damals die meisten Physiker die ursprüngliche Stringtheorie über die starke Kraft zugunsten der Theorie aufgaben, die auf Quarks und Gluonen beruht, weil diese sich sehr viel besser mit den Beobachtungsdaten zu decken schien. Scherk starb unter tragischen Umständen (er litt unter Diabetes und fiel in ein Koma, als niemand in seiner Nähe war, um ihm eine Insulinspritze zu geben). Damit blieb Schwarz als einziger Vertreter der Stringtheorie übrig, doch jetzt mit dem sehr viel höher veranschlagten Wert für die Stringspannung.
1984 scheint das Interesse an Strings einen plötzlichen Auftrieb erhalten zu haben – offenbar aus zwei Gründen: Zum einen wollte der Nachweis nicht so recht gelingen, daß die Supergravitation endlich sei oder daß sie die Teilchenarten erklären könne, die wir beobachten. Zum anderen veröffentlichten John Schwarz und Mike Green vom Londoner Queen Mary College einen Artikel, in dem sie zeigten, daß die Stringtheorie in der Lage sein könnte, das Vorhandensein von Teilchen zu erklären, die, wie die Beobachtung zeigt, einen natürlichen «Linksdrall» haben. Was für Gründe auch immer ausschlaggebend gewesen sein mögen – auf einmal befaßte sich jedenfalls eine große Zahl von Wissenschaftlern mit der Stringtheorie. Bald wurde eine neue Version entwickelt, die Theorie des sogenannten heterotischen String, und es scheint, als könnte sie die beobachteten Teilchenarten erklären.
Auch die Stringtheorien führen zu
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