Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
Dai-Ping (Friedensherrscher) nannte. Die Europäer unterstützten
ihn, Franzosen und Engländer zogen in China ein, beschossen Städte und
demütigten Fürsten. Schließlich erzwangen sie sich 1860 den Einzug in die
Hauptstadt Chinas, Peking, wo sie zur Rache für die Gegenwehr der Chinesen den
herrlichen uralten Sommerpalast des Kaisers, der mit prächtigen Kunstwerken aus
der ältesten Zeit des Reiches angefüllt war, plünderten und niederbrannten. Das
weite, friedliche, jahrtausendealte Reich war in vollständige Auflösung und
Verwirrung geraten und musste sich nun den europäischen Händlern ganz
ausliefern. So zahlten die Europäer den Chinesen zurück, dass sie sie die Papierherstellung,
den Gebrauch des Kompasses und leider auch die Erzeugung des Schießpulvers
gelehrt hatten.
Dem japanischen Inselreich wäre es in diesen Jahren bald ebenso
ergangen. In Japan war es damals sehr ähnlich wie in Europa während des
Mittelalters. Die eigentliche Macht hatten die Adeligen und Ritter. Besonders
eine vornehme Familie, die den Kaiser, den Mikado, ungefähr so beaufsichtigte,
wie die Vorfahren Karls des Großen die Merowingerkönige beaufsichtigt hatten.
Bilder malen, Häuser bauen, dichten hatten die Japaner seit Jahrhunderten von
den Chinesen gelernt, und sie verstanden es auch selbst, herrliche Sachen zu
machen. Aber Japan war kein so friedliches, großes, sanftes Reich wie China.
Die mächtigen Adeligen der verschiedenen Gegenden und Inseln kämpften
miteinander in ritterlichen Fehden. Die Ärmeren unter ihnen taten sich um 1850
zusammen, um den Großen des Reiches ihre Macht zu nehmen. Aber wie sollte das
möglich sein? Das ging nur, wenn ihnen der Kaiser, der Mikado, diese machtlose
Puppe, die täglich einige Stunden auf dem Thron sitzen musste, half. Und so
kämpften die kleinen Adeligen gegen die mächtigen Besitzer des Landes im Namen
des Kaisers, dem sie seine alte Macht, die er in grauer Vorzeit gehabt haben
soll, wiedergeben wollten.
Es war das gerade die Zeit, als die ersten europäischen
Gesandtschaften wieder nach Japan kamen, das durch mehr als 200 Jahre für jeden
Fremden ein verbotenes Land gewesen war. Diesen weißen Gesandten kam das
Treiben in den japanischen Millionenstädten mit ihren Häusern aus Bambus und
Papier, mit ihren zierlichen Gärtchen, mit den hübschen Damen mit Turmfrisuren,
mit den farbigen Wimpeln der Tempel, dem feierlich-ernsten und beherrschten
Gehabe der schwerttragenden Ritter sehr hübsch und komisch vor. Sie trampelten
mit ihren schmutzigen Straßenstiefeln auf den kostbaren Matten der Paläste
herum, die die Japaner nur barfuß betreten, sie glaubten sich nicht
verpflichtet, irgendeine der uralten Sitten dieser vermeintlichen Wilden bei
der Begrüßung oder beim Teetrinken einzuhalten. So waren sie bald verhasst. Als
eine amerikanische Reisegesellschaft eines Tages nicht höflich zur Seite trat,
wie es dort Brauch war, wenn ein vornehmer Fürst in seiner Sänfte mit seinem
Gefolge durch das Land zog, packte das Gefolge eine solche Wut, dass es auf die
Amerikaner dreinschlug und eine Frau ermordete. Natürlich kamen gleich
amerikanische Kriegsschiffe, um die Stadt zu beschießen. Die Japaner sahen auch
für sich das Schicksal der Chinesen voraus. Aber inzwischen war die Revolution
gegen die Großen des Landes geglückt. Der Kaiser, den man in Japan Tennō
und Mikado nannte, hatte jetzt wirklich unumschränkte Macht. Von klugen
Ratgebern, die nie an die Öffentlichkeit traten, unterstützt, beschloss er,
seine Macht dahin zu verwenden, das Land für alle Zukunft vor dem Hochmut der
Fremden zu schützen. Die alte Kultur musste man dazu nicht preisgeben. Man
musste nur die allerletzten Erfindungen der Europäer lernen. Und so öffnete er
mit einem Mal das Land den Fremden ganz.
Er berief deutsche Offiziere, die ein modernes Heer aufstellten, und
berief Engländer, die eine moderne Flotte bauten. Er schickte Japaner nach
Europa, damit sie die neue Heilkunde studierten und sich die übrigen
Wissenschaften aneigneten, durch die Europa in den letzten Jahren so mächtig
geworden war. Er führte nach dem Vorbild der Deutschen die allgemeine
Schulpflicht ein, um das Volk zum Kampf zu rüsten. Die Europäer waren entzückt.
Die Japaner waren doch ein vernünftiges Völkchen, dass sie ihr Land so ganz
aufschlossen. Sie beeilten sich, den Japanern alles zu verkaufen, was sie
verlangten, und alles zu zeigen. In wenigen Jahrzehnten hatten die Japaner die
europäischen Künste der
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