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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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Hebel
niederdrückt. Er merkt nur, dass er wöchentlich seinen Lohn ausbezahlt bekommt,
gerade so viel, dass er nicht verhungert wie seine unglücklicheren Gefährten,
die keine Arbeitsstelle gefunden haben. Und auch der Besitzer muss das Gewerbe,
von dem er lebt, nicht gelernt haben, denn es ist kein Hand-Werk mehr, sondern
ein Maschinen-Werk. Darum meinte Marx, es gebe eigentlich keine Berufe mehr,
sondern nur zwei Arten oder Klassen von Menschen: Besitzer und Besitzlose oder,
wie er sagte – denn er liebte Fremdwörter –, Kapitalisten und Proletarier.
Diese Klassen seien im ständigen Kampf miteinander, denn die Besitzer wollen
immer möglichst viel und möglichst billig erzeugen, also den Arbeitern, den
Proletariern, möglichst wenig zahlen, die Arbeiter aber wieder wollen den
Kapitalisten oder Besitzer der Maschine zwingen, ihnen möglichst viel von
seinem Gewinn abzugeben. Dieser Kampf der beiden Klassen von Menschen werde, so
meinte Marx, schließlich so ausgehen müssen, dass die vielen Besitzlosen den
wenigen Besitzern ihr Eigentum einmal wegnehmen würden, nicht um es nun selbst
zu besitzen, sondern um das ganze Eigentum abzuschaffen. Dann würde es keine
Klassen mehr geben. Das war sein Ziel, und er stellte sich die Verwirklichung
recht einfach und nahe vor.
    Dabei waren, als Marx im Jahre 1847 seinen großen Aufruf (das
»Kommunistische Manifest«, wie er es nannte) an die Arbeiter erließ, die
Zustände noch gar nicht so, wie er sie kommen sah. Und auch bis heute ist
manches anders gekommen. Es herrschten ja damals noch gar nicht überall die
Besitzer der Maschinen, es herrschten vielfach noch die Adeligen mit dem
Ordensstern auf der Brust, denen Metternich wieder zur Macht verholfen hatte.
Und diese Adeligen waren ja selbst große Gegner der reichen Bürger und
Fabrikbesitzer. Sie wollten den festen, geordneten, geregelten Staat, in dem
jeder seinen alten, angestammten Beruf hatte, wie es früher gewesen war. Und so
gab es damals zum Beispiel in Österreich noch »erbuntertänige« Bauern, die dem
Grundherrn nicht viel anders hörig waren als die Leibeigenen des Mittelalters.
Auch gab es noch viele alte, strenge Regeln für Handwerker, und man behandelte
die neuen Fabrikanten zum Teil noch nach diesen alten Zunftregeln. Die reich
gewordenen Maschinenbesitzer, die Bürger, wollten sich aber nichts mehr von
Adeligen oder vom Staat vorschreiben lassen. Sie wollten tun und lassen, was
ihnen beliebte, denn dann, so meinten sie, würde es auf der Welt am besten
gehen. Man müsse nur dem Tüchtigen freie Bahn lassen, sich durchzusetzen, ihn
durch keine gesetzlichen Regeln oder Bedenken hindern, dann würde es mit der
Zeit allen herrlich gehen auf der Welt. Die Welt läuft ganz von selbst, wenn
man sie nicht stört, meinten sie. Und so machten die Bürger 1830 in Frankreich
einen Umsturz und vertrieben die Nachkommen Ludwigs XVIII. vom Thron.
    1848 kam es in Paris und dann auch in vielen anderen Ländern zu
einer neuen Revolution, in der die Bürger versuchten, die ganze Macht im Staat
zu erlangen, damit niemand ihnen mehr dreinreden könnte, was sie mit ihren
Fabriken und Maschinen täten. Damals wurde Metternich aus Wien vertrieben, und
der regierende Kaiser Ferdinand musste abdanken. Die alte Zeit hörte endgültig
auf. Die Männer trugen schon fast genauso hässliche, lange schwarze Röhrenhosen
und steife, weiße Kragen mit verwickelt geknoteten Krawatten, wie wir sie heute
tragen müssen. Überall wurden nun unbeschränkt Fabriken gegründet, und die
Eisenbahnen schafften immer größere Warenmengen von Land zu Land.

Jenseits der Meere
    Durch die Eisenbahn und das Dampfschiff ist die
Welt viel kleiner geworden. Es war kein ungewisses, abenteuerliches Wagnis
mehr, zu Schiff nach Indien und China zu fahren. Amerika war fast nebenan.
Darum kann man seit 1800 die Weltgeschichte noch viel weniger als europäische
Geschichte anschauen. Wir müssen uns umsehen, wie es in den neuen
Nachbarländern Europas aussah. Also vor allem in China, Japan und Amerika. Noch
in der Zeit vor 1800 war China fast genau dasselbe Land, das es zur Zeit der
Herrscher aus der Familie der Han in den Jahren um Christi Geburt und zur Zeit der
großen Dichter um 800 nach Christus gewesen war: ein mächtiges, geordnetes,
stolzes, volkreiches, friedliches Land mit fleißigen Bauern und Bürgern, großen
Gelehrten, Dichtern und Denkern. Die Unruhe, die Religionskriege, die
unaufhörliche Bewegung, die wir in Europa erleiden mussten,

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