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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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getan. Die wiedergeeinten,
freien Vereinigten Staaten von Amerika wurden bald eines der reichsten und mächtigsten
Länder der Welt. Es scheint auch ohne Sklaven zu gehen.

Zwei neue Reiche in Europa
    Ich habe noch viele Menschen gekannt, die Kinder waren, als
es noch gar kein Deutschland und kein Italien gab. Das ist doch erstaunlich,
nicht wahr? Diese großen, mächtigen Länder, die eine so entscheidende Rolle
spielen, sind gar nicht sehr alt. Nach der Bürgerrevolution von 1848, als
überall in Europa neue Eisenbahnlinien gebaut und Telegrafendrähte gelegt
wurden, als die Städte, die Fabrikstädte wurden, wuchsen und viele Bauern in
die Stadt wanderten, als die Männer Zylinderhüte trugen und komische Zwicker
mit schwarzen Schnüren daran, da war unser Europa noch ein Flickwerk vieler
kleiner Herzogtümer, Königtümer, Fürstentümer, Republiken, die in verwickelter
Art verbündet oder verfeindet waren.
    Drei Mächte waren in diesem Europa wichtig, wenn wir England weglassen,
das sich damals mehr um seine Kolonien in Amerika, Indien und Australien
kümmerte als um das benachbarte Festland. Inmitten Europas lag das Kaisertum
Österreich. Dort regierte seit 1848 Kaiser Franz Josef in der Hofburg in Wien.
Als ich klein war, hab’ ich ihn selbst noch als alten Mann durch den Park von
Schönbrunn fahren sehen, und ich erinnere mich noch gut an sein feierliches
Leichenbegängnis. Er war ein richtiger Kaiser im uralten Sinn. Er herrschte
über ganz verschiedene Völker und Länder. Er war Kaiser von Österreich, aber
auch König von Ungarn, gefürsteter Graf von Tirol und hatte noch endlos viele
Titel aus der Vergangenheit, sogar den eines Königs von Jerusalem und
Beschützers des Heiligen Grabes, noch aus der Zeit der Kreuzzüge her. Auch
viele italienische Gebiete standen unter seiner Herrschaft, andere wieder unter
der Herrschaft seiner Familie. Außerdem Kroaten, Serben, Tschechen, Slowenen,
Slowaken, Polen und viele, viele andere Völker. Darum war auch auf den
damaligen österreichischen Banknoten der Betrag, also zum Beispiel »Zehn
Kronen«, in all diesen Sprachen zu lesen. Auch in den deutschen Fürstentümern
hatte der Kaiser von Österreich dem Namen nach noch irgendwelche Macht, aber
das war besonders verwickelt. Es gab ja kein Deutsches Reich mehr, seit
Napoleon 1806 den letzten Rest des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation
zerschlagen hatte. Die verschiedenen Länder deutscher Sprache bildeten nur
einen Bund, den Deutschen Bund, und zu diesem gehörte neben Preußen, Bayern,
Sachsen, Hannover, Frankfurt, Braunschweig usw. usw. auch Österreich. Er war
ein merkwürdig unübersichtliches Gebilde, dieser Deutsche Bund. Auf jedem Fleckchen
Land regierte ein anderer Fürst, und jeder hatte andere Münzen, andere
Briefmarken und eigene Beamtenuniformen. Das war schon immer unpraktisch
gewesen, auch als man noch mit der Postkutsche tagelang von Berlin nach München
reiste. Aber nun, seit die Eisenbahn keinen ganzen Tag dazu brauchte, war es
kaum mehr zum Aushalten.
    Ganz anders sah es rechts und links von Deutschland, Österreich und
Italien aus. Da gab es kein solches Flickwerk auf der Landkarte.
    Da lag im Westen Frankreich. Kurz nach der Bürgerrevolution von 1848
war es wieder ein Kaiserreich geworden. Ein Nachkomme des großen Napoleon hatte
es dort verstanden, die Erinnerungen an den alten Ruhm wachzurufen, und so
wurde er, obwohl er lange kein so großer Mann war, zuerst zum Präsidenten der
Republik und bald zum Kaiser der Franzosen unter dem Namen Napoleon III.
gewählt. Trotz aller Kriege und Revolutionen war damals Frankreich ein
besonders reiches, mächtiges Land mit großen Fabrikstädten.
    Im Osten sah es so aus: Der russische Kaiser oder Zar war in dem
gewaltigen Land nicht beliebt. Du musst bedenken, dass damals viele russische
Städter und Bürger in Frankreich oder Deutschland an den Universitäten studiert
hatten und ganz moderne, neuzeitlich denkende Menschen waren. Das russische
Reich und seine Beamten waren aber eigentlich noch ganz mittelalterlich. Denk
dir, dass dort erst 1861 die Leibeigenschaft der Bauern, zumindest dem Namen
nach, aufgehoben wurde und dass damit 23 Millionen russischen Bauern erst ein
menschenwürdiges Dasein versprochen wurde! Versprechen und Halten ist
zweierlei. Im Ganzen herrschte man in Russland mit der Lederpeitsche, die man
Knute nennt. Wenn irgendjemand ein freies Wort zu sagen wagte, auch wenn es
noch so harmlos war, wurde er mindestens nach

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