Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
bedeutender und
gebildeter Herrscher. Er hielt darauf, dass die Goten mit den Italienern in Frieden
lebten, und teilte jedem seiner Krieger nur ein Stück Ackerland zum Bebauen zu.
Zur Hauptstadt wählte er sich Ravenna, eine Hafenstadt in Oberitalien.
Dort ließ er herrliche Kirchen mit wunderbaren farbigen Mosaiken
bauen. So hatten es sich die oströmischen Kaiser aber nicht vorgestellt. Sie
hatten nicht geglaubt, dass die Ostgoten drüben in Italien ein mächtiges und
blühendes Reich errichten würden, das schließlich für die Herrscher in
Konstantinopel eine Gefahr werden könnte.
In Konstantinopel lebte damals, seit 527, ein mächtiger, Pracht
liebender und ehrgeiziger Herrscher: Justinian. Sein Ehrgeiz war es, das
gesamte alte Römische Reich wieder unter seine Herrschaft zu bringen. An seinem
Hof gab es den ganzen Prunk des Ostens; er und seine Frau Theodora, die früher
einmal eine Zirkustänzerin gewesen war, trugen seidene, schwere, edelsteinbestickte
Gewänder mit Gold- und Perlenketten, dass es nur so gerauscht und geklirrt hat.
Er hat in Konstantinopel eine ungeheure Kuppelkirche, die Hagia
Sophia, erbauen lassen und wollte überhaupt die versunkene Größe des alten Rom
wiedererwecken. So ließ er vor allem die vielen Gesetze der alten Römer
sammeln, mit allen Bemerkungen, die große Gelehrte und Rechtskundige dazu
gemacht hatten. Es ist das große Gesetzbuch des Römischen Rechts, das auf
lateinisch Corpus iuris civilis Justiniani heißt.
Noch heute müssen alle Menschen, die Richter oder Anwälte werden wollen, darin
lesen, denn es ist noch die Grundlage sehr vieler Gesetze.
Justinian also versuchte nach dem Tod des Theoderich, die Goten aus
Italien zu vertreiben und das Land zu erobern. Sie wehrten sich in dem fremden
Land unerhört heldenhaft jahrzehntelang. Das war nicht leicht, da sie ja die
Italiener auch gegen sich hatten, und das Wirrwarr wurde dadurch noch größer,
dass die Goten zwar auch Christen waren, aber nicht genau an dieselben Lehren
glaubten wie die Römer und die Untertanen Justinians. Sie glaubten nicht an die
Dreieinigkeit. Darum wurden sie auch als Ungläubige bekämpft und bedrängt. Fast
alle Goten fielen schließlich in diesen Kämpfen. Der Rest, ein Heer von nur
1000 Mann, erhielt nach der letzten Schlacht freien Abzug und verschwand nach
Norden. Es war das Ende des großen Volkes der Ostgoten. Justinian herrschte nun
auch über Ravenna und baute dort wunderbare Kirchen, in denen man ihn und seine
Gemahlin feierlich abgebildet sieht.
Aber die Oströmer herrschten nicht lange in Italien. Es kamen 568
nach Christus neue germanische Völker vom Norden, die Langobarden. Sie
eroberten wieder das Land, und heute noch heißt eine Gegend in Italien nach
ihnen die Lombardei. Das war das letzte schwere Grollen des Gewitters. Dann zog
langsam die sternenklare Nacht des Mittelalters herauf.
Die Sternennacht beginnt
Dass die Völkerwanderung eine Art Gewitter war, das
wirst du wahrscheinlich auch finden, dass aber das Mittelalter dann eine Art Sternennacht
gewesen sein soll, muss dir merkwürdig vorkommen. Und doch war es so. Vielleicht
hast du schon vom »finsteren Mittelalter« reden gehört. Man meint damit, dass damals,
nach dem Sturz des Römischen Reiches, nur wenige Menschen lesen und schreiben konnten,
dass sie nicht wussten, was in der Welt vorgeht, dass sie sich gern allerhand Wunder
und Märchen erzählten und überhaupt sehr abergläubisch waren. Dass damals die Häuser
klein und dunkel, die Wege und Straßen, die die Römer gebaut hatten, verfallen und
verdorben, die römischen Städte und Lager grasüberwachsene Ruinen waren. Dass die
guten römischen Gesetze vergessen und die schönen griechischen Statuen zerschlagen
waren. All das ist richtig. Es war ja auch kein Wunder nach den fürchterlichen Kriegszeiten
der Völkerwanderung.
Aber das ist nicht alles. Es war keine finstere Nacht, es war wie eine
Sternennacht. Denn über all diesem Dunkel und über aller unheimlichen
Ungewissheit, in der die Leute sich, wie Kinder im Finstern, vor Zauberern und
Hexen fürchteten, vor dem Teufel und vor bösen Geistern, über all dem leuchtete
doch der Sternenhimmel des neuen Glaubens und wies ihnen einen Weg. So wie man
im Wald sich nicht so leicht verirren kann, wenn man die Sterne sieht, den
Großen Bären oder den Polarstern, so konnten sich die Leute damals nicht mehr
ganz verirren, sooft sie auch im Dunkeln stolperten. Eines war ihnen sicher:
dass alle Menschen ihre Seele
Weitere Kostenlose Bücher