Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
die Engländer in England sind, das ist der
Friede«, sagte sie. Aber die Engländer rächten sich furchtbar an ihr. Sie
nahmen sie gefangen und verurteilten sie als Zauberin zum Tode. Sie wurde im
Jahre 1431 verbrannt. Es ist kein Wunder, dass man sie für eine Zauberin
gehalten hat. Denn war es nicht wirklich fast Zauberei, dass ein einziges,
hilfloses, ungebildetes Mädchen vom Land nur durch die Kraft ihres Mutes und
ihrer Begeisterung in zwei Jahren die Niederlage von fast hundert Jahren
wettmachte und ihren König krönen ließ?
Du kannst dir diese Zeit des Hundertjährigen Krieges, die Zeit vor
1400, als die Städte wuchsen, als die Ritter nicht mehr trotzig auf ihren
einsamen Burgen saßen, sondern gerne an den Höfen der reichen und mächtigen
Könige und Fürsten lebten, nicht bunt genug vorstellen. Besonders in Italien
und auch in Flandern und Brabant (dem heutigen Belgien) ging es damals
wunderbar zu. Da gab es reiche Städte, die mit kostbaren Stoffen, mit Brokat
und Seide handelten und die sich auch etwas leisten konnten. Die Ritter und
Vornehmen erschienen bei den Festen am Hof in prachtvollen, reich geschmückten
Gewändern, und wenn sie dann im Saal oder im Blumengarten zur Geige oder zur
Laute mit den Damen den Reigen tanzten, möchte ich schon dabei gewesen sein.
Die Damen waren noch kostbarer und fantastischer gekleidet. Sie trugen ganz hohe
spitze Hauben, wie Zuckerhüte, mit langen feinen Schleiern daran, und bewegten
sich in ihren spitzen Schuhen und prunkvollen, goldglänzenden Gewändern fein
und geziert wie Puppen. Sie wären längst nicht mehr mit den rauchigen Hallen
der alten Burgen zufrieden gewesen. Sie lebten in großen, vielräumigen
Schlössern mit Tausenden Erkern, Türmchen und Zinnen, deren Inneres mit bunten
Bildteppichen ausgeschmückt war. In diesen Räumen sprach man gewählt und
geziert, und wenn ein Vornehmer seine Dame zur kostbar geschmückten Tafel
führte, so fasste er ihre Hand nur mit zwei Fingern und spreizte die anderen
möglichst weit weg. Längst war das Lesen und Schreiben in den Städten beinahe
selbstverständlich. Kaufleute und Handwerker mussten es ja können, und viele Ritter
schrieben kunstvolle, zierliche Gedichte für ihre zierlichen Damen.
Auch Wissenschaft trieben nicht mehr nur einige Mönche in ihren
Klosterzellen. Schon kurz nach dem Jahre 1200 hatte die berühmte Universität
von Paris 20 000 Studenten aus aller Herren Länder, und diese lernten und
stritten viel über die Meinungen des Aristoteles und wie diese mit der Bibel
übereinstimmten.
All dieses höfische und städtische Leben kam nun auch nach Deutschland
und besonders an den Hof der deutschen Kaiser. Dieser Hof war damals in Prag, denn
nach dem Tode Rudolfs von Habsburg waren andere Familien gewählt worden. Seit 1308
regierte die Familie der Luxemburger als Könige und Kaiser von Prag aus über Deutschland.
Aber eigentlich regierten sie kaum mehr wirklich über Deutschland, sondern jeder
Lehensfürst regierte ja schon selbstständig in Bayern, in Schwaben, in Württemberg,
in Österreich usw. Der deutsche Kaiser war nur noch der mächtigste unter ihnen.
Das eigene Land der Luxemburger war Böhmen, und dort herrschte seit 1347 Karl IV.
in Prag als gerechter und prachtliebender Herrscher. An seinem Hof gab es ebenso
vornehme Ritter wie in Flandern, und in seinen Palästen gab es ebenso schöne Bilder
wie in Avignon. Er gründete im Jahre 1348 auch eine Universität in Prag, die erste
im Deutschen Reich.
Fast so prächtig und reich wie dieser Hof Karls IV. war auch der Hof
seines Schwiegersohnes in Wien, Rudolfs IV., den man den Stifter nennt. Alle
diese Herrscher, das merkst du, lebten jetzt nicht mehr auf einsamen Burgen und
zogen auch nicht mehr auf abenteuerlichen Kriegszügen durchs Land. Sie hatten
ihr Schloss mitten in der Stadt. Schon daraus siehst du, wie wichtig die Städte
geworden waren. Und doch war das erst der Anfang.
Eine neue Zeit
Hast du dir Schulhefte von früheren Klassen aufgehoben oder
sonst alte Sachen? Wenn man in denen blättert, wundert man sich oft – nicht
wahr? –, dass man in der kurzen Zeit, die seither verstrichen ist, ganz anders
geworden ist. Man wundert sich, was man damals geschrieben hat. Über die Fehler
und auch über die guten Sachen. Und dabei hat man gar nicht gemerkt, dass man
sich verändert. So geht es auch in der Weltgeschichte.
Es wäre ja schön, wenn plötzlich Trompeter durch die Straßen ritten und
verkündeten: »Hallo, eine
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