Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser
Bäcker,
Schlosser, Maler, Tischler, Steinmetzen, Baumeister waren jeder für sich in
einem Handwerksverein oder Bund, den man Zunft nannte. Eine solche Zunft, wie
zum Beispiel die Schneiderzunft, war fast so streng abgeschlossen und hatte
fast so ernste Gesetze wie der Stand der Ritter. Auch Schneidermeister konnte
nicht jeder Mensch ohne Weiteres werden. Man musste zuerst eine bestimmte Zeit
Lehrling sein, dann wurde man Geselle und ging auf Wanderschaft, um fremde
Städte und fremde Arbeitsweisen kennenzulernen. Zu Fuß durchzogen solche
Wanderburschen das Land und gingen oft jahrelang durch viele Länder, bis sie
nach Hause zurückkehrten oder eine fremde Stadt fanden, wo man noch – sagen wir – einen Schneidermeister nötig hatte, denn in den kleinen Städten brauchte man
ja nicht viele, und die Zunft sah streng darauf, dass nicht mehr Leute Meister
wurden, als Arbeit finden konnten. Der Geselle musste also dort zeigen, was er
konnte, das heißt, ein Meisterstück anfertigen (vielleicht einen schönen
Mantel), und wurde dann feierlich zum Meister ernannt und in die Zunft
aufgenommen.
Wie die Ritterschaft hatten die Zünfte ihre Regeln, ihre gemeinsamen
Spiele, ihre bunten Fahnen und ihre schönen Grundsätze, die natürlich nicht
immer eingehalten wurden, sowenig wie die Grundsätze der Ritter. Immerhin gab
es welche, und das war schon etwas. Ein Mitglied der Zunft musste dem anderen
helfen, durfte ihm nicht bei seinen Kunden schaden, durfte aber auch den
eigenen Kunden keine schlechte Ware liefern, musste seine Lehrlinge und
Gesellen gut behandeln und überhaupt für das Ansehen des Handwerks und der
Stadt sorgen. Er sollte sozusagen ein Handwerker Gottes sein, wie der Ritter
ein Kämpfer Gottes.
Und wirklich, wie die Ritter sich aufopferten, um in den Kreuzzügen
um das Grab Christi zu kämpfen, so opferten die Bürger und Handwerker oft ihr
Hab und Gut, ihre Kraft und ihren Wohlstand, wenn es darum ging, eine Kirche in
der Stadt zu bauen. Es lag ihnen unendlich viel daran, dass ihre neue Kirche
oder ihr neuer Dom noch größer, noch schöner und noch prächtiger werden sollte
als der stolzeste Bau in irgendeiner der benachbarten Städte. Die ganze Stadt
teilte diesen Ehrgeiz, und jeder widmete sich begeistert dieser Aufgabe. Der
berühmteste Baumeister wurde herangeholt, die Pläne zu machen, die Steinmetzen
behauten Steine und machten Statuen, die Maler malten Bilder für den Altar und
farbige Fenster, die im Kircheninneren nur so leuchteten. Niemandem war es
wichtig, dass gerade er der Erfinder, gerade er der Entwerfer oder Erbauer war;
die Kirche war das Werk der ganzen Stadt, sie war sozusagen der gemeinsame
Gottesdienst aller. Und das sieht man diesen Kirchen auch an. Es sind nicht
mehr die festen Kirchen, die wie Burgen aussehen, wie man sie noch zur Zeit
Barbarossas in Deutschland baute. Es sind herrliche, weit gewölbte Räume mit
hohen, schlanken Glockentürmen, Räume, in denen das ganze Volk der Stadt Platz
hatte und in denen man zusammenkam, um den Predigern zuzuhören. Denn damals gab
es neue Mönchsorden auf der Welt, denen es nicht mehr so sehr darauf ankam, das
Land bei ihren Klöstern zu bebauen und Bücher abzuschreiben, sondern die arm
wie Bettler durch das Land zogen, um dem Volk Buße zu predigen und die Bibel zu
erklären. Zu ihnen ist das ganze Volk in die Kirche gegangen und hat ihnen
zugehört, hat über die eigenen Sünden geweint und versprochen, sich zu bessern
und nach den Lehren der Liebe zu leben.
Aber so wie die Kreuzfahrer bei aller Frömmigkeit im eroberten
Jerusalem das schreckliche Gemetzel angerichtet haben, so haben viele Bürger
damals aus den Bußpredigten für sich nicht die Lehre gezogen, sich zu bessern,
sondern alle, die nicht mit ihnen eines Glaubens waren, zu hassen. Vor allem
die Juden wurden immer schlechter behandelt, je frömmer die Leute zu sein
glaubten. Du musst bedenken, dass die Juden als einziges Volk aus dem Altertum
in Europa noch übrig geblieben waren. Babylonier und Ägypter, Phönizier,
Griechen, Römer, Gallier und Goten waren untergegangen oder mit anderen Völkern
verschmolzen. Nur die Juden, deren Staat man immer wieder zerstört hatte,
blieben in all den entsetzlichen Zeiten, von Land zu Land gejagt und verfolgt,
als Volk bestehen und warteten nun schon ganze 2000 Jahre auf ihren Erretter,
den Messias. Felder durften sie nicht besitzen, sie durften nicht Bauern und
natürlich auch nicht Ritter werden. Auch Handwerk durften sie keines
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