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Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser

Titel: Eine kurze Weltgeschichte fuer junge Leser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst H. Gombrich
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Zeit Ludwigs XIV. war ihnen schon zu mühsam. Man war für zierlichere,
ungezwungenere Unterhaltungen. Man trug auch keine so schweren Perücken mehr,
sondern leichte, weiß gepuderte, an denen hinten ein Zöpfchen baumelte. Sich
verneigen und tanzen konnten diese Herren wunderbar und ihre Damen noch besser.
Die Damen gingen in ganz eng geschnürten Miedern und riesigen runden Röcken,
die wie Glocken aussahen. Das waren die Reifröcke. So lustwandelten die Damen
und Herren durch die Heckenalleen der königlichen Schlösser und ließen dafür
ihre Landgüter verfallen und ihre Bauern hungern. Weil ihnen aber das gezierte,
unnatürliche Leben oft selbst langweilig war, haben sie damals etwas Neues
erfunden: Sie spielten Einfachheit und Natur, wohnten in reizend eingerichteten
Schäferhütten im Schlosspark und nannten sich bei erfundenen Schäfernamen aus
griechischen Gedichten. Das war so der Gipfelpunkt ihrer Natürlichkeit und
Einfachheit.
    In all dieses bunte, elegante, zierliche, überfeinerte Getriebe kam
die Tochter Maria Theresias, Marie Antoinette, mitten hinein. Sie war ein ganz
junges Mädchen von etwas über 14 Jahren, als sie die Frau des späteren
französischen Königs wurde. Natürlich glaubte sie, dass alles so sein müsse,
wie sie es vorfand. Sie war die eifrigste bei all den zauberhaften Maskenfesten
und Opern, sie spielte selbst Theater, sie war eine entzückende Schäferin und
fand das Leben in den französischen Königsschlössern wunderbar. Ihr Bruder
freilich, Maria Theresias ältester Sohn, Kaiser Josef II., hat sie, ebenso wie
ihre Mutter, ständig ermahnt, einfach zu leben und nicht durch den Aufwand und
Leichtsinn das arme Volk noch mehr zu erbittern. Kaiser Josef schrieb ihr im
Jahre 1777 einen langen, ernsten Brief, in dem die Worte stehen: »So kann es
auf die Dauer nicht fortgehen, und die Revolution wird furchtbar sein, wenn Du
ihr nicht vorbeugst.«
    Es ging noch ganze zwölf Jahre so fort. Aber die Revolution war dann
wirklich um so furchtbarer. Der Hof hatte schon alles Geld des Landes
vergeudet. Es war nichts mehr da, wovon der riesige tägliche Luxus hätte
bezahlt werden können. Da berief König Ludwig XVI. endlich im Jahre 1789 eine
Versammlung der Vertreter der Adeligen, Geistlichen und Bürger, also der drei
Stände, ein. Die sollten ihm raten, wie er wieder zu Geld kommen könne.
    Da ihm die Vorschläge und Forderungen der Stände nicht gefielen,
wollte sie der König nun durch seinen Zeremonienmeister wieder nach Hause
schicken. Dem aber antwortete ein Mann namens Mirabeau, ein gescheiter und
leidenschaftlicher Mensch: »Gehen Sie, und sagen Sie Ihrem Herrn, wir sind hier
durch die Macht des Volkes versammelt, und die wird man uns nicht entreißen,
außer durch die Macht der Bajonette.«
    So hatte noch niemand zum König von Frankreich gesprochen. Der Hof
wusste nicht, was er anfangen sollte. Während er überlegte, berieten die
versammelten Adeligen, Geistlichen und Bürger weiter, wie man die
Misswirtschaft verkleinern könnte. Niemand dachte daran, den König abzusetzen,
man wollte nur ähnliche Verbesserungen durchsetzen, wie sie damals in allen
Staaten schon eingeführt waren. Aber der König war nicht gewohnt, sich etwas
vorschreiben zu lassen. Er war selbst ein schwacher, unschlüssiger Mensch,
dessen Lieblingsbeschäftigung das Basteln war, dem es aber ganz
selbstverständlich schien, dass es niemand wagen durfte, sich seinem Willen zu
widersetzen. So berief er Truppen, um die Versammlung der drei Stände auseinanderjagen
zu lassen. Darüber war das Volk in Paris empört. Es hatte seine letzte Hoffnung
in diese Versammlung gesetzt. Die Leute liefen zusammen und drängten gegen das
Staatsgefängnis, die Bastille, wo früher viele Prediger der Aufklärung
eingesperrt gewesen waren und wo, wie man glaubte, eine Menge unschuldiger
Menschen gefangen war. Der König wagte nicht gleich, in sein Volk
hineinschießen zu lassen, um die Leute nicht noch mehr zu empören. So wurde die
mächtige Festung vom Volk erstürmt und die Besatzung umgebracht. Jubelnd zogen
die Leute durch die Straßen von Paris und schleppten die befreiten Gefangenen
im Triumph durch die Stadt, obwohl es sich herausstellte, dass nur wirkliche
Verbrecher dort eingekerkert gewesen waren.
    Inzwischen hatten die versammelten Stände unerhörte Dinge
beschlossen: Sie wollten die Grundsätze der Aufklärung ganz durchsetzen. Den
Grundsatz vor allem, dass alle Menschen als Vernunftwesen gleich sind und

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