Eine Lady nach Maß
Glaubst du, Gott hat sie deshalb zu uns geschickt? Damit wir auf sie aufpassen können?“
J.T. kaute verdrossen auf seinem Zahnstocher herum. Er wollte nicht darüber nachdenken, ob und warum Gott diese Schneiderin in sein Leben gebracht hatte. Er hatte genug damit zu tun, sich um Cordelia und Witwen wie Louisa James zu kümmern. Er hatte nicht das geringste Interesse daran, sich einen starrköpfigen Menschen wie Hannah Richards aufzuhalsen, auch wenn sie in seine Arme passte, als wäre sie dafür geschaffen. Nein. Wenn er sich um ihre Treppe und den Rest ihres Gepäckes gekümmert hatte, würde er sie ihrer Wege gehen lassen.
Kapitel 4
H annah blieb in ihrem Zimmer, bis die Stimmen der Männer endlich verklungen waren. Dann lugte sie vorsichtig durch die Tür, um sicher zu sein, dass sie auch wirklich nicht mehr da waren. Anschließend ließ sie sich auf einen hölzernen Stuhl fallen. Der Stuhl neigte sich zur Seite und wäre fast umgestürzt, wenn sie nicht im letzten Moment noch das Gleichgewicht gefunden hätte. Sie hätte am liebsten laut geweint, doch ihre Selbstbeherrschung behielt die Oberhand. Sogar die Zimmereinrichtung hatte sich gegen sie verschworen.
Ein kleines Holzstück unter dem zu kurz geratenen Stuhlbein würde die Sache regeln, doch was sollte sie mit Mr Tucker machen? Einmal war er der galante Gentleman, der sie rettete, sie umsorgte und sie in seinen Armen hielt, damit sie sich sicher fühlte. Im nächsten Augenblick war er ein arroganter, besserwisserischer Mann, der sie wie ein Kind behandelte und unglaublich dickköpfig war. Sie wusste nicht, ob sie ihn auf die Wange küssen oder gegen das Schienbein treten sollte.
Im Moment würde sie ihm lieber gegen das Schienbein treten.
Sie seufzte und stellte ihre Tasche auf den abgenutzten Tisch neben sich. Bei dieser Bewegung schmerzte ihr ganzer Körper. Doch Hannah interessierte sich mehr für den Zustand ihres Kleides und hob vorsichtig die Arme, um den Stoff und die Nähte zu untersuchen. Auf der linken Seite war eine Naht geplatzt, aber das würde sie mit ein paar Nadelstichen beseitigen können. Mehr Sorgen bereitete ihr eine Stelle, an der der Stoff etwas zerrissen war, aber das war eine unauffällige Stelle. Die Vorderseite des Kleides hatte nichts abbekommen, nicht einmal ein Knopf war abgerissen. Natürlich hatte Hannah von ihrer eigenen Arbeit nichts anderes erwartet.
Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass ihr Reisekleid keine schlimmen Schäden davongetragen hatte, machte sich Hannah daran, ihr neues Heim genauer zu untersuchen. Ein kleiner Herd stand an der Wand zwischen zwei Fenstern. Ein einfaches Bett mit Matratze nahm den hinteren Teil des Zimmers ein. Ein paar Haken für Kleidung waren an der Wand angebracht, aber es gab keinen Schrank und keinen Waschtisch. Der alte Tisch und der wackelige Stuhl unter ihr vervollständigten die Einrichtung. Sehr sparsam. Vor allem, wenn sie den Stuhl und den Tisch mit nach unten nehmen würde.
Ihr Laden war wichtiger als ihre Wohnung. Sie brauchte eine Arbeitsunterlage, um die Stoffe zuzuschneiden und zu heften. Außerdem brauchte sie den Stuhl, um ihre Nähmaschine bedienen zu können. Da sie nicht wusste, wie lange es dauern würde, bis sie ein regelmäßiges Einkommen hatte, würde sie erst einmal sparen und ihr Geld zusammenhalten müssen.
Wenn sie erst einmal einige Kunden gewonnen hätte, würde sie sich neue Möbel für ihr Zimmer kaufen können. Bis dahin würde sie mit den Koffern vorliebnehmen, die sie mitgebracht hatte. Sie konnte sie sowohl als Aufbewahrungsmöglichkeit als auch als Sitzgelegenheit benutzen. Wenn sie zwei Koffer übereinanderstellte, hatte sie eine Art Tisch, an dem sie ihr Essen zubereiten könnte. Hannah würde wahrscheinlich sowieso den Großteil ihrer Zeit unten im Laden verbringen.
Sie zog einen Stift aus ihrer Handtasche und fing an, eine Liste von Dingen zu erstellen, die sie aus dem Kaufladen brauchte. Als sie bei Kartoffeln angekommen war, fiel ihr etwas ein. Wenn der Verkäufer ihre Einkäufe in Kisten verstauen würde, könnte sie diese als Hocker oder sogar als Waschtisch benutzen. Sie lächelte und knabberte an ihrem Stift. Mit ein wenig Einfallsreichtum würde sie es sich schon gemütlich machen. Natürlich brauchte sie jemanden, der sie mit frischer Milch versorgte. Ohne ihren allmorgendlichen Kakao würde sie keine Woche überleben.
Ein Hämmern vor ihrer Tür ließ Hannah zusammenfahren. Sie schnappte sich ihre Tasche und die Liste und
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