Eine Lady nach Maß
Vielleicht ein Hemd ausbessern oder Socken stopfen? Irgendetwas?“
„Sie könnten aufhören zu reden und diesen Tisch mit mir nach unten tragen, damit ich mich endlich wieder um meine eigenen Angelegenheiten kümmern kann.“
Seine unvermittelte Unhöflichkeit brachte sie zurück auf den Boden der Tatsachen, doch als Mr Tucker seinen Blick wieder senkte, verstand Hannah. Dieser Cowboy wusste einfach nicht, wie er mit Dankbarkeit umgehen sollte. Er konnte eine Treppe reparieren und eine Frau auffangen, aber wenn man ihm dafür dankte, war er überfordert. Vielleicht würde er sie in Zukunft nicht mehr so leicht in Rage bringen, jetzt, wo sie das wusste.
* * *
Wenn er doch nur die ganze Zeit daran denken würde, dass sie eine Schneiderin war, würden sich seine Eingeweide vielleicht nicht so verknoten, wenn sie ihn so ansah wie jetzt. Dieser Blick würde ihm Magenverstimmungen verursachen.
J.T. verkniff sich ein Grummeln und kippte den Tisch auf die Seite, bevor Miss Richards ihn noch einmal durcheinanderbringen konnte. Schnell ergriff sie das andere Ende der Tischplatte und half ihm, den Tisch durch die Tür zu manövrieren. Sie gingen langsam die Treppenstufen hinunter. Miss Richards beschwerte sich nicht einmal über das große Gewicht.
Sie trugen den Tisch durch die Hintertür und stellten ihn im Arbeitszimmer ab. Dann machte J.T. sich daran, ihre restlichen Koffer an Ort und Stelle zu bringen, während Miss Richards auch noch einen Stuhl nach unten in den Laden holte. Weil sie bei der Arbeit mit der Nähmaschine bequem sitzen musste, wie sie erklärte, und stattdessen ihre Koffer als Sitzgelegenheiten in ihrem Zimmer nehmen wollte. Vielleicht konnte er sich darum kümmern, dass sie ein paar richtige Stühle bekam.
Nachdem er den letzten Koffer nach oben geschleppt hatte, schloss Miss Richards ihr Zimmer ab und folgte ihm nach unten.
„Wie viel schulde ich Ihnen?“
J.T. schielte in Richtung Mietstall und wich so ihrem Blick aus. „Einen Dollar für den Wagen und einen Vierteldollar für das Abladen.“
Sie reichte ihm einen Dollarschein und eine fünfundzwanzig Cent-münze. Er steckte sie in die Tasche und nickte zum Dank.
„War der Laden dort die Straße hinunter?“ Sie biss sich auf die Unterlippe. Ihre blauen Augen verloren ein wenig von der Selbstsicherheit, die sie bisher gezeigt hatten. „Ich muss noch ein paar Dinge besorgen, bevor geschlossen ist.“
Fast hätte er ihr angeboten, sie zu begleiten, doch er konnte sich gerade noch zurückhalten. Es war schlimm genug, dass er sie morgen wiedersehen würde, wenn er ihr die Bretter und Regale bringen würde, die er ihr in einem Anflug von Unüberlegtheit versprochen hatte. Schon da hatte seine Höflichkeit seinen klaren Verstand einfach überrollt.
„Ja“, sagte er hastig. „Er ist nur zwei Häuser weiter, direkt neben Mrs James Wäscherei.“
„Danke.“ Sie sah ihn mit einem Lächeln an, das ihm das Gefühl gab, er hätte aus Versehen seinen Zahnstocher verschluckt. Er starrte finster zurück.
Miss Richards wandte sich ab und ging zur Straße. Ihr Rock schwang im Rhythmus hin und her. Links. Rechts. L –
„Oh, Mr Tucker?“ Sie hatte sich wieder umgewandt. J.T. richtete seinen Blick schnell wieder auf ihr Gesicht. Ein Husten, das ihn fast erstickte, kroch in seinen Hals.
„Kennen Sie zufällig jemanden, der mir morgens eine Kanne Milch bringen kann?“
Die Familie Harris hatte einen kleinen Laden am anderen Ende der Stadt, wo sie frische Milch, Butter und Käse verkauften. Will Harris, der älteste Sohn, trug normalerweise die Milch bei denjenigen aus, die keine eigene Kuh hatten, doch J.T. zögerte, ihn zu erwähnen. Er war ein großer, gut aussehender Kerl, der einen Blick für Frauen hatte. Eine alleinstehende Frau konnte keinen Mann gebrauchen, der sie in den frühen Morgenstunden besuchte. Will war ein anständiger Junge, der regelmäßig zur Kirche ging. Doch J.T. wollte gerne vermeiden, dass Miss Richards täglich Besuch von ihm erhielt.
„Meine Schwester kann Ihnen etwas bringen.“
Sie öffnete ihre Handtasche und kam mit anmutigen Schritten zu ihm zurück. „Kann ich sie gleich für eine Woche im Voraus bezahlen? Ich gebe Ihnen –“
„Sie und Delia können morgen einen Preis vereinbaren.“ Er winkte ab und trat auf die Straße. „Ich muss jetzt zurück zum Stall.“
„Danke für Ihre Hilfe, Mr Tucker“, rief sie ihm noch einmal zu, nachdem er sich schon abgewandt hatte. „Sie sind wirklich ein Geschenk
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