Eine Lady nach Maß
des Himmels.“
Er winkte kurz, drehte sich aber nicht mehr um. Mit zusammengebissenen Zähnen zerstampfte er auf dem Rückweg so viele Erdklumpen auf der Straße wie möglich. Zuerst hatte er sich selbst in die Situation gebracht, noch einmal Kontakt zu dieser Frau aufnehmen zu müssen, und zu guter Letzt hatte er auch noch seine Schwester mit hineingezogen. Genau das hatte er vermeiden wollen.
J.T. stürmte in sein Büro und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Mit der Faust schlug er wütend gegen die Wand, während seine Augen wider Willen dem Anblick von Hannah Richards folgten, bis sie im Warenladen verschwunden war. Knurrend lehnte er sich mit dem Rücken an die Wand.
Ein Geschenk des Himmels?
J.T. starrte an die Zimmerdecke. „Wenn es dir nichts ausmacht, schick doch nächstes Mal lieber jemand anderen, der ihr hilft.“
Kapitel 5
A ls am nächsten Morgen der letzte Schimmer des Morgenrots verschwand, hatte Hannah schon ihre allmorgendlichen Übungen unter freiem Himmel gemacht, ihre Koffer und Kisten im Zimmer arrangiert und ihre Nahrungsmittel und persönlichen Dinge verstaut. Im Laden unten wartete zwar noch ein ganzer Berg von Arbeit, aber trotzdem war sie voller Vorfreude. Wenn alles nach Plan verlief, hätte sie am Ende des Tages alles so eingeräumt, dass sie am nächsten Morgen ihr Geschäft eröffnen könnte. Der Gedanke ließ sie vor Freude tanzen. Der gekürzte Rock ihres Gymnastikkleides flog um ihre Waden.
Wenn endlich Miss Tucker mit der frischen Milch kam, konnte der Tag wirklich beginnen. Zwar liebte Hannah es, ihren Arbeitstag mit einem Kakao anzufangen und einen Abschnitt aus der Bibel zu lesen, aber sie wollte nicht länger untätig herumsitzen. Schweren Herzens entschied sie, heute auf ihren Kakao zu verzichten.
Am Abend vorher hatte sie das letzte bisschen Tageslicht ausgenutzt, um in ihrem Zimmer Staub zu wischen, den Herd zu reinigen, den Boden zu schrubben und ihre Schlafstatt mit einem Tuch abzuhängen. Als die frühe Herbstdunkelheit sie dazu gezwungen hatte, ihre Arbeiten zu beenden, war sie auf ihre Matratze gekrochen und sofort eingeschlafen. Erst der Hahnenschrei am nächsten Morgen hatte sie wecken können. Seitdem war sie wieder ununterbrochen auf den Beinen gewesen und konnte nun eine kleine Ruhepause gebrauchen.
Hannah zog den Stoff vor ihrem Bett zur Seite und ignorierte das unattraktive Muster. Dann nahm sie die Bibel, die auf dem Kopfkissen lag. Als Floyd Hawkins, der Besitzer des Gemischtwarenladens, erfahren hatte, dass sie Schneiderin war, hatte er einen Ballen verstaubten Stoffes aus seinem Lager geholt und darauf bestanden, dass sie ihn mitnahm. Hannah verstand, warum er den Stoff nicht losgeworden war. Sie hätte eher einen Käfer verschluckt, als sich ein Kleid aus diesem orange-gepunkteten Etwas zu machen. Aber da sie gewusst hatte, dass sie den Stoff irgendwie würde verwenden können, hatte sie sich darauf eingelassen, ihn dem Händler zum Einkaufspreis abzukaufen. Jetzt, sorgsam an der Decke befestigt, schenkte er ihr immerhin eine gewisse Privatsphäre, und schützte ihr Bett vor neugierigen Blicken, wenn sie doch einmal Besuch empfangen sollte. Vielleicht konnte sie noch einen Saum annähen, wenn sie ein wenig Zeit hatte.
Mit der Bibel in der Hand setzte Hannah sich auf den Koffer, den sie unter dem Fenster links neben dem Ofen aufgestellt hatte. Sie öffnete die Bibel an der Stelle, an der das schmale rote Samtband lag – Sprüche 16, der Vers, der sie im letzten Monat vor ihrer Abreise begleitet hatte. Das Licht der Morgensonne erhellte die Weisheit der Worte in diesem Kapitel. Vers drei versprach, dass, wenn sie Gott über ihr Tun entscheiden ließ, sich ihr Vorhaben erfüllen würde. Doch Vers acht mahnte sie dazu, dass sie nichts erreichen könnte, wenn sie nicht ehrlich wäre. Vers neun verbalisierte genau das, was Hannah hoffte und fürchtete.
„ ‚ Des Menschen Herz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt“, flüsterte sie.
Hannah las noch einmal diese Worte, bevor sie die Augen schloss. „Vater, du weißt, wie sehr ich es mir wünsche, hier mein Geschäft zu eröffnen. Ich habe seit meinen Lehrjahren davon geträumt. Du hast mir die Türen geöffnet, Türen, die ich allein nicht hätte öffnen können. Dafür danke ich dir. Gleichzeitig muss ich zugeben, dass ich mir Erfolg wünsche. Ich will Kunden haben, die mit meinen Entwürfen zufrieden sind.“ Hannah runzelte ihre Stirn, als sie merkte, dass sie
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