Eine Lady nach Maß
genossen ihre Tagträumereien.
Schließlich seufzte Cordelia und schloss das Magazin. „Ich sollte gehen. Ich muss das Abendessen für J.T. vorbereiten und ich habe deine Zeit viel zu lange in Anspruch genommen.“
„Quatsch“, sagte Hannah. „Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so einen schönen Nachmittag verbracht habe.“ Sie legte die Hefte wieder auf einen Stapel und zog einige Stoffe unter dem Tresen hervor. „Und ich freue mich drauf, dass wir morgen unsere gemeinsamen Übungen anfangen. Dann haben wir noch mehr Zeit, um zu reden.“
„Solange ich noch Luft kriege.“ Cordelia grinste. „J.T. hat mir erzählt, wie schnell du zum Fluss gehst.“
Ein kleiner Schauer durchfuhr Hannah, als sie daran dachte, dass Jericho sie gesehen hatte. Natürlich wusste sie nicht, ob er ihre Sportlichkeit gut oder schlecht fand. Viele Männer schienen ihre Frauen lieber weich und füllig zu haben, vielleicht weil sie selbst ja schon stark waren. Würde Jericho eine kräftige, selbstbewusste Frau bevorzugen oder war das wieder etwas, was gegen sie sprach?
„Ich denke, ich werde ihm beim Abendessen von meinem Plan erzählen, dass ich dich auf deinen Spaziergängen begleiten will“, sagte Cordelia, während sie ihren Korb aufnahm. „Diese Nachricht wird er bestimmt besser aufnehmen als die, dass du mir ein neues Kleid machst. Das findet er mit Sicherheit nicht gut.“
Hannah zögerte. „Er will es dir verbieten, ein Kleid zu kaufen, auch wenn du dein eigenes Geld dafür verdienst?“ Manchmal war dieser Mann ein richtiger Griesgram.
Cordelia winkte ab. „Nein, nicht wenn ich eins brauche. Aber das hier wird ein in seinen Augen überflüssiger Kauf sein. Den Gedanken daran wird er schrecklich finden. Für ihn ist Eitelkeit eine der schlimmsten Eigenschaften. Du musst verstehen … J.T. war erst sechzehn, als unser Vater gestorben ist und er sich ganz alleine um die Farm gekümmert hat. Jahrelang hat er sich abgerackert, damit wir etwas zu essen auf dem Tisch stehen hatten. Selbst jetzt, wo er genug Geld auf der Bank hat, kauft er sich höchstens mal ein neues Paar Schuhe, wenn es nötig ist. Das hat sich einfach aus den Umständen ergeben. Er kann wirklich großzügig sein, wenn jemand seine Hilfe braucht, aber leichtfertiges Geldausgeben verabscheut er.“
Ein Stein von der Größe eines Brotlaibes senkte sich in Hannahs Magen. Kein Wunder, dass der Mann sie nicht ausstehen konnte. Das, womit sie sich ihren Lebensunterhalt verdiente, war für ihn ein Anreiz zum unnötigen Geldausgeben. Sie war naiv gewesen, als sie auch nur einen Moment lang gehofft hatte, dass er sie attraktiv finden könnte.
Sie konnte seine Ansicht verstehen. Schlichte Bescheidenheit war eine gute Eigenschaft, aber für sie war Schönheit das auch. Der Herr selbst hatte seine Schöpfung wunderschön gestaltet, was jeder sehen konnte, der mit offenen Augen durch die Welt ging. Warum wollte Jericho diesen Wert nicht auch erkennen? Nur weil er recht hatte, bedeutete das nicht, dass sie im Unrecht war. Natürlich konnte die Liebe zu schönen Dingen zu weit gehen und zu Habgier und Eitelkeit führen, aber das konnte auch Geiz. Sie hatte schon viele Menschen kennengelernt, die anderen durch ihren Geiz das Leben schwer gemacht hatten.
Wenn Jericho jetzt da wäre, würde sie ihm ins Gesicht sagen, dass –
Jemand rüttelte an der Tür. Ein Klopfen folgte. „Delia? Bist du da drin?“
Ein dunkler Schatten presste sich gegen das Fenster und versuchte, nach drinnen zu schauen.
Hannah schluckte.
Jericho Tucker war hier.
Kapitel 14
J. T. trat einen Schritt zurück, da er durch das Fenster nichts erkennen konnte. Wo war das Mädchen? Vor zwanzig Minuten war Hawkins bei ihm im Stall gewesen und hatte nach ihr gesucht. Irgendetwas wegen ihrer Brotlieferung. Hawkins hatte gesagt, er sei schon bei ihnen zu Hause gewesen, aber da hätte er sie nicht angetroffen. J.T. hatte versprochen, Cordelia die Nachricht zu überbringen. Doch er hatte nicht gedacht, dass es so kompliziert sein würde, sie zu finden. Normalerweise ging sie nur an drei Orte allein: zum Gemischtwarenladen, zur Poststelle oder in die Apotheke. Da Hawkins nach ihr gesucht hatte, verringerten sich die Möglichkeiten auf zwei.
Doch sie war nirgendwo gewesen. Ike hatte gesagt, dass sie sein Büro kurz nach zwölf verlassen hatte, doch jetzt war es fast zwei Uhr. J.T. hatte noch einmal bei ihnen zu Hause nachgesehen für den Fall, dass sie mittlerweile
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