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Eine Lady nach Maß

Eine Lady nach Maß

Titel: Eine Lady nach Maß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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ordnungsgemäß saß, wenn ihre erste Kundin gleich in den Raum käme.
    Cordelia betrat das Geschäft und schloss die Tür hinter sich. Sie sah sich flüchtig im Raum um und wandte sich dann an Hannah. „Sie müssen mich schön machen.“
    Die Tränen, die in Cordelias Augen standen, wischten das Lächeln von Hannahs Gesicht. Schnell ging sie auf ihre Bekannte zu und legte ihre Hand mitfühlend auf ihre Schulter.
    „Was ist passiert?“
    „Er sieht mich nicht.“ Cordelia schniefte, als ein Schluchzer aus ihr herausbrechen wollte.
    „Wer?“, fragte Hannah. „Wer sieht Sie nicht?“
    Cordelia vergrub ihr Gesicht in den Händen. Der leere Korb baumelte hilflos an ihrem Arm. Vielleicht hatte sie einen Namen gesagt, aber Hannah hatte ihn nicht gehört. Sie zog ein Taschentuch hervor und hielt es Cordelia hin.
    „Lassen Sie mich die Tür abschließen. Dann können wir reden.“
    Als Hannah den Schlüssel umdrehte, hallte das Geräusch in ihren Ohren wider. Was, wenn jetzt ein Kunde kam? Den Laden zu schließen konnte sie um ihre ersten Einnahmen bringen. Das konnte sie sich beim besten Willen nicht leisten. Aber dann kam ihr ein Vers aus dem Buch der Sprüche in den Sinn, über den sie bei ihrer morgendlichen Bibellese lange nachgedacht hatte.
    „Besser wenig mit Gerechtigkeit als viel Einkommen mit Unrecht.“
    Hannah schluckte den bitteren Geschmack hinunter, der sich in ihrem Mund ausgebreitet hatte, und drehte das Schild auf „Geschlossen“.
    Inzwischen hatte Cordelia sich schon ein bisschen gefangen. Doch offenbar ging es ihr immer noch nicht gut, deshalb führte Hannah sie in den Arbeitsraum. Sie zog den Stuhl hinter der Nähmaschine hervor und bot ihn Cordelia an.
    „Und jetzt“, sagte sie und setzte sich auf eine Truhe, „erzählen Sie mir, welcher Mann so ein schlechtes Sehvermögen hat, dass es Sie zum Weinen bringt.“
    „Nur der wunderbarste Mann in ganz Coventry.“
    Hannah konnte den Kummer in der Stimme der jungen Frau hören. Ihr eigenes Herz füllte sich mit Mitgefühl. „Wenn er so wunderbar ist, warum weinen Sie dann?“
    „Weil er mich nicht sieht! Nicht als Frau. Für ihn bin ich nur J.T.s kleine Schwester.“ Sie wrang das Taschentuch in ihren Händen. „Ich liebe ihn seit Jahren und dieser begriffsstutzige Kerl hat keine Ahnung davon.“
    Hannah lächelte. „Begriffsstutzig?“
    Cordelia blickte schnell auf. „Oh nein. So habe ich das nicht gemeint. Nicht wirklich. Eigentlich ist er sehr intelligent. Er leitet das Telegrafenbüro und die Post neben der Bank. Vielleicht haben Sie ihn gestern in der Kirche gesehen. Ike Franklin?“
    Hannah versuchte sich zu erinnern. Plötzlich fiel ihr jemand zu dem Namen ein – ein dünner Mann in einem gut geschnittenen grauen Anzug. Dunkler Bart. Freundliche Augen. „Hat er Klavier gespielt?“
    „Ja.“ Ein verträumter Blick trat auf Cordelias Gesicht. „Hat er nicht die wunderbarste Stimme der Welt? Sie ist wie Schokoladenguss, weich und warm. Ich könnte ihm den ganzen Tag zuhören.“
    „Sie machen mich hungrig.“
    Cordelia kicherte. „Tut mir leid.“
    Hannah ergriff Cordelias Hand. Sie wollte die Träume der anderen nicht zerstören, aber sie konnte auch nicht ertragen, dass sie sich falschen Hoffnungen hingab.
    „Ich will nicht deine Träume zerstören, Cordelia. Ich darf doch du sagen?“
    Cordelia nickte vorsichtig.
    „Gut, aber was ist, wenn er einfach findet, dass ihr nicht zusammenpasst? Vielleicht tut er so, als würde er deine Weiblichkeit nicht bemerken, weil er dich nicht kränken will? Vielleicht solltest du dein Augenmerk auf jemand anderen richten?“
    „Es gibt keinen anderen! Nicht für mich.“ Sie entzog sich Hannahs Griff und zerdrückte das Taschentuch in ihrer Hand. Ihre Knöchel wurden weiß, so sehr presste sie es zusammen. „Ich weiß, dass du versuchst, mir zu helfen. Ich habe mir diese Frage auch schon oft gestellt. Aber ich glaube nicht, dass es so ist. Wir beide kommen großartig miteinander aus. Wir haben die gleichen Interessen – Bücher, Musik, Essen …“ Sie wurde rot. „Er liebt meine Kochkünste.“
    Welcher Mann würde das nicht? Cordelia konnte traumhaft backen.
    „Seit sechs Monaten bezahlt er mich dafür, dass ich ihm jeden Mittag Essen bringe, weil er keine Zeit hat, das Postamt zu verlassen.“ Sie hielt inne, ihre Lippen kräuselten sich. „Er behauptet, ich sei die beste Köchin im ganzen Land.“
    „Also, das beweist zumindest schon mal, dass er doch nicht begriffsstutzig ist.

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