Eine Lady nach Maß
konnte sie versuchen, ihren Kunden Gottes Liebe weiterzugeben. Hannah hatte zwar keine Ahnung, wie das funktionieren könnte, aber sie würde um Weisheit beten. Natürlich bräuchte sie überhaupt erst einmal Kunden, um dann einen positiven Einfluss auf sie haben zu können. Doch das lag in Gottes Händen.
Vater, ich möchte kein Stolperstein für deine Kinder sein. Lehre mich, mein Geschäft in einer Weise zu führen, die dir Ehre macht. Und wenn …
Ein Schmerz fuhr durch ihren Magen. Hannah presste die Augen zusammen und krümmte sich über der Bibel, die immer noch auf ihrem Schoß lag. Sie wollte die nächsten Worte nicht beten. Ihr Verstand weigerte sich, den Weg zu gehen, den ihre Seele vorgab. Doch sie wusste, dass Demut der einzige Weg zur Treue war. Also zwang sie sich dazu, die nächsten Worte zu beten, die ihren Traum für immer zerstören könnten.
Wenn ich hier mehr Schlechtes als Gutes tun würde, dann halte die Kunden von mir fern und lass mich versagen. Aber wenn du mich gebrauchen kannst –
Ein Klopfen an der Tür ließ Hannah aufspringen und erschrocken einatmen. Wieder klopfte es.
„Miss Richards? Hier ist Danny. Ich habe Ihr Holz.“
Hannah eilte zur Tür und strich ihr Haar glatt. „Hallo, Danny. Woher wusstest du, dass ich zu Hause bin?“
Danny betrat ihr Zimmer und stapelte das Holz in die Kiste neben dem Ofen. „Ma hat gesehen, dass Sie die Treppe hochgegangen sind, als sie die Wäsche abgenommen hat. Wenn Sie Zeit haben, soll ich fragen, ob Sie mit runterkommen könnten. Sie will Sie was fragen.“ Er klopfte sein Hemd aus und dann seine Hände. „Nur wenn es Ihnen nicht schlecht geht oder so.“
„Nein … ich … Es geht mir gut. Ich würde mich freuen, deine Mutter zu besuchen.“
„Danke! Dann sage ich ihr, dass Sie kommen.“ Danny sprang fröhlich aus dem Zimmer und hüpfte die Stufen hinunter. Das Geräusch seiner hopsenden Schritte riss Hannah endgültig aus ihrer Trauer. Sie blinzelte mehrmals und folgte ihm in angemessenerem Tempo.
Mrs James wartete auf der hinteren Veranda und hatte einen großen Korb gebleichter Unterkleider bei sich. Sie drückte Danny den Korb in die Arme, sodass der Junge hinter der weißen Masse fast verschwand. „Bring das zu Tessa und leg noch ein bisschen Holz in den Ofen. Das Bügeleisen muss richtig heiß sein, wenn ich reinkomme.“
„Ja, Ma.“ Danny taumelte unter dem Gewicht des Korbes, schaffte es jedoch ohne Unfall ins Haus.
Ungebeten tauchte ein Bild des elfjährigen Jericho vor Hannahs innerem Auge auf. Er war nur ein Jahr älter gewesen als Danny jetzt. Wie hatte er sich um seine kleine Schwester kümmern können?
„Danke, dass Sie gekommen sind.“ Louisa James Stimme fuhr in Hannahs Gedanken.
Hannah wandte sich der Frau zu und zwang sich zu einem Lächeln. „Natürlich.“
„Ich … ähm … habe mich noch gar nicht angemessen für die Puppen bedankt, die Sie für meine Töchter gemacht haben. Sie tragen sie überall mit sich herum.“
Hannahs Herz erwärmte sich bei dem Gedanken daran, dass sie die Mädchen glücklich gemacht hatte. Für sie war sie schon mal kein Stolperstein gewesen. „Ich bin froh, dass sie Freude daran haben. Es ist lange her, dass ich etwas anderes als Kleider genäht habe. Es war eine schöne Abwechslung.“
„Also, ich wollte Ihnen auch danken, dass Sie Tessa geholfen haben.“ Louisa sah Hannah unverwandt in die Augen. „Sie hat mir von dem Knopf erzählt.“
„Ach ja. Wir haben lange nach dem perfekten Knopf gesucht. Hat der Kunde sich beschwert?“
„Nein und das war das erste Mal.“ Louisa lächelte glücklich. Hannah beobachtete, wie das Lächeln einen Hauch von Jugend in das abgearbeitete Gesicht zurückbrachte.
„Ich war froh, dass ich helfen konnte“, versicherte Hannah. „Tessa ist ein wunderbares Mädchen und kann schon sehr gut mit der Nadel umgehen.“
Das kleine Lächeln verschwand wieder aus Louisas Gesicht. Sie rieb sich ihre Stirn mit der Rückseite der Hand und sah zu Boden.
„Deshalb wollte ich mit Ihnen reden. Tessa hat mir erzählt, dass Sie angeboten haben ihr zu zeigen, wie man auch andere Sachen näht, nicht nur Knöpfe.“ Louisa trat von einem Fuß auf den anderen. „Ich habe ihr gesagt, dass Sie das vielleicht nur gesagt haben, um höflich zu sein, und dass Sie bestimmt zu beschäftigt wären, um sie zu unterrichten. Aber sie redet immer wieder davon und lässt sich nicht abbringen. Sie will irgendwann zu Ihnen kommen.“
Hannah verstand die
Weitere Kostenlose Bücher