Eine Lady nach Maß
versteckte Andeutung hinter Louisas Worten und hatte Mitleid mit der stolzen Frau, die es nicht über sich brachte, direkt zu fragen. „Das war ein ernst gemeintes Angebot, Louisa. Ich wäre froh, Tessa unterrichten zu können, wenn Sie auf sie verzichten können.“
Die Frau biss die Zähne zusammen und senkte den Kopf. „Ich will nicht, dass meine Töchter wie ich enden“, sagte sie leise. „Sie müssen etwas lernen, damit sie ihren eigenen Weg gehen, notfalls auch ohne Mann. Ich habe getan, was ich musste, und ich sehe keine Schande in harter Arbeit, aber sie verdienen etwas Besseres als raue Hände … und einen Rücken, der nie mehr aufhört zu schmerzen.“
Eine Träne trat in Hannahs Augen. Schnell blinzelte sie sie zurück, als Louisa zitternd einatmete.
„Ich kann es mir nicht leisten, Ihnen viel für die Stunden zu bezahlen“, fuhr sie fort, „aber ich könnte für Sie waschen und Tessa könnte Ihren Laden sauber halten. Sie kann gut mit einem Besen umgehen.“
Hannah hatte nicht den Mut zuzugeben, dass es in ihrem Geschäft noch nichts zu reinigen gab. Ohne Kunden musste man höchstens alle paar Tage Staub wischen. Trotzdem brachte sie das Angebot auf eine Idee. Eine, die weniger mit Wohltätigkeit zu tun hatte als vielmehr damit, das Geschäft am Leben zu erhalten.
„Louisa, es gibt etwas, das ich dringender brauche, als dass mir jemand die Wäsche macht. Ich würde die Nähstunden gerne dagegen eintauschen.“
Hoffnung flackerte in Louisas Augen auf. „Was ist es?“
Hannah lächelte. „Werbung.“
„Werbung?“ Louisa fuchtelte mit der Hand in der Luft herum, um Hannah das Offensichtliche zu verdeutlichen. „Ich bin von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang mit Waschen beschäftigt. Ich finde kaum die Zeit, zum Laden zu gehen und das Nötigste einzukaufen. Da kann ich doch nicht in der Stadt –“
„Das meinte ich auch gar nicht.“ Hannah berührte Louisas Arm, bevor sie einen Schritt zurücktrat. „Cordelia Tucker und ich sind schon in der Stadt unterwegs gewesen und haben die Brottücher verteilt und seitdem hatte ich auch ein paar Besucher in meinem Geschäft. Aber ich brauche etwas anderes, um wirklich ihr Interesse an meinen Kleidern zu wecken. Bis jetzt hatte ich keine gute Idee, aber vielleicht sollte ich mich erst einmal mehr auf das Reparieren und Ändern von Kleidungsstücken beschränken. Damit die Menschen hier mich kennenlernen, wie Sie gesagt haben.“
Louisas Augen verengten sich. „Und wie kann ich da helfen?“
Hannah lächelte, als neuer Mut in ihr aufstieg. „Wenn Sie ein Hemd haben, das kaputt ist, oder ein Kleid, dessen Saum zerrissen ist, erzählen Sie Ihren Kunden, dass die Schneiderin gegenüber die Sachen für einen guten Preis ausbessert. Ich ändere auch alte Kleider so ab, dass sie wieder passen. Dann können die Frauen ihre Kleider wieder tragen, ohne Geld für ein neues ausgeben zu müssen.“
Hannah legte die Hand auf den Arm ihrer Nachbarin. „Um offen zu sprechen“, murmelte sie leise, „kann ich alle Kunden brauchen, die Sie mir schicken können.“
Louisa tätschelte Hannahs Hand und nickte verständnisvoll. „Ich hatte mich schon gefragt, wie es Ihnen ergeht. Sie können sich auf meine Hilfe verlassen.“
„Vielen Dank.“ Hannah nickte erleichtert. Es war eindeutig wahr, dass Gott die Bedürfnisse seiner Kinder kannte, bevor sie sie äußerten, denn sie hatte noch nicht einmal ihr Gebet zu Ende geführt, als er sie schon mit seiner Antwort unterbrochen hatte. Anstatt ihr Geschäft zu schließen, hatte er sie auf die Idee gebracht, dass sie wie Dorkas und Lydia sein musste. Genau das hatte ihr in dem Gespräch mit Louisa geholfen und sie gleichzeitig ihrer Nachbarin nähergebracht.
Mit leichten Schritten eilte Hannah zurück nach Hause. Als sie die Stufen zu ihrem Zimmer erreicht hatte, warf sie einen Blick in Richtung des Mietstalles auf der anderen Straßenseite. Eine Erinnerung daran, dass der Weg, den sie vor sich hatte, immer noch voller Hindernisse war.
Wenn der Herr Jericho Tucker doch nur davon überzeugen würde, dass sie nicht auf dem falschen Weg war, der die Stadt unweigerlich ins Unglück stürzen würde.
Kapitel 16
J. T. stand im Stall und striegelte das Fell seines besten Pferdes. Zwei Wochen war es nun her, dass er mit dem armen Tier aus der Stadt geprescht war wie ein Gesetzloser auf der Flucht. Zwei Wochen, in denen er kein einziges Wort mit Miss Richards gewechselt hatte.
Nicht nur, dass er an diesem Tag die
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