Eine Lady verschwindet
Stelle!«
»Auf der Stelle ist unmöglich«,
sagte ich. »Aber doch wohl bald, glaube ich.« Ihrem Gesichtsausdruck nach
konnte ich von Glück reden, daß sie ihre Schultertasche nicht bei sich hatte.
»Erzählen Sie mir von Martin Harris.«
»Martin Harris?« Ihre Augen
weiteten sich. »Was hat der mit alldem zu tun?«
»Im Augenblick hat er mit allem
zu tun«, sagte ich. »Er ist bereit, die Flamini in
Vince Manattis liebende Arme zurückzulegen, wenn
dieser ihm hunderttausend Dollar in bar bezahlt. Ich soll dabei den Mittelsmann
spielen, nur hat Barnaby einen Änderungsvorschlag gemacht. Er möchte, daß ich
sie geradewegs hierher schaffe, anstatt die Flamini zu Manatti zurückzubringen. Er hat mich auch daran
erinnert, daß er eine Geisel hat, um mich bei der Stange zu halten — nämlich
Sie.«
»Martin Harris?« Sie starrte
mich verdutzt an und schüttelte dann heftig den Kopf. »Der ist doch noch in Rom.«
»Dann handelt es sich
vielleicht um seinen Zwillingsbruder, der denselben Vornamen hat?« knurrte ich.
»Wenn Anna bei ihm ist, dann muß sie das so geplant haben«, sagte sie mit
unsicherer Stimme. »Vielleicht war es überhaupt Martin Harris, der neulich abends
mit mir telefoniert hat?«
»Vielleicht war es Annas
Einfall, aus Manattis Abmachungen mit Barnaby
hunderttausend Dollar herauszuholen, als eine Art Bonus für sich selber«, sagte
ich. »Ganz zu schweigen von Martin Harris — wer immer er ist.«
»Ich weiß nicht recht.« Ihre
Unterlippe schob sieh plötzlich vor. »Das sieht Anna gar nicht ähnlich.«
»Nichts sieht Anna ähnlich«,
brummte ich. »Wissen Sie was? Ich fange an, den Verdacht zu hegen, daß es in
Wirklichkeit gar keine Anna Flamini gibt. Sie ist
einfach das Produkt von Manattis fruchtbarer
Phantasie — ein zweidimensionaler Schatten, den er sich an einem Nachmittag in
Rom ausgedacht hat, und die Göttin auf der Breitleinwand wird von drei
Statistinnen mit demselben Make-up gespielt.«
»Hören Sie auf!« sagte sie
scharf. »Reden Sie keinen Blödsinn. Anna ist absolute Wirklichkeit.«
»Davon müssen Sie mich erst
noch überzeugen«, sagte ich. »Seit Manatti mir diesen
verrückten Auftrag aufgehalst hat, ist die Flamini noch nicht mehr gewesen als ein Hauch von Parfüm.«
»Anna Flamini ist handfeste Wirklichkeit«, sagte sie leidenschaftlich. »Der Ärger ist nur,
daß sie, als sie mit ihrer Karriere anfing, sich Vincente Manatti praktisch vertraglich für ihr ganzes Leben
ausgeliefert hat, ohne sich darüber im klaren zu
sein, was das für Folgen haben könnte. Er besitzt sie mit Haut und Haaren!
Deshalb glaubte sie ja auch, nichts anderes tun zu können, als sich seinen
Wünschen zu fügen, als er ihr von seiner Abmachung mit Axel Barnaby erzählte.«
»Aber dann hat sie im letzten
Augenblick ihre Absichten geändert.«
»Vermutlich ja«, sagte Daphne
zögernd.
»Und Martin Harris hat ihr
dabei geholfen?«
»Vielleicht haben Sie recht.«
Sie zuckte matt die Schultern. »Für mich ergibt sich daraus nur kein Sinn.«
»Warum nicht? Er war
schließlich in Rom ihr Liebhaber.«
»Eine ganz beiläufige Affäre«,
sagte sie schnell. »Harris ist genau der Typ des eingebildeten Laffen, den ich
verabscheue. Ich habe nie begriffen, was Anna an ihm gefunden hat.«
»Wie sieht er aus?«
»Er wird schätzungsweise Mitte
Zwanzig sein. Dichtes blondes Haar, einen dazu passenden Schnauzbart — und
völlig verschossen in sich selber.«
»Setzen Sie dunkel für blond
ein, und Sie könnten von O’Neil reden.«
»Sie haben recht.« Sie lächelte
ein bißchen. »Die beiden sind sich nicht unähnlich.«
»Aber daß Harris von Rom nach
Los Angeles geflogen und genau zu dem Zeitpunkt aufgetaucht ist, als die Flamini sich entschied zu verschwinden, kann kein Zufall
gewesen sein«, sagte ich. »Es muß zwischen den beiden ausgemacht worden sein.«
»Vermutlich ja.« Sie zuckte
erneut die Schultern. »Was mich noch mehr beunruhigt, sind die hunderttausend
Dollar, von denen Sie eben gesprochen haben. Anna bildet sich vielleicht ein,
Harris sei in sie verliebt; aber ich bin überzeugt, daß er eine solche Summe
bei weitem mehr lieben würde.«
»Das werden wir vermutlich
heute im Lauf des Abends herausfinden«, sagte ich. »Was ich nicht begreife,
ist, warum Manatti nicht die Flamini und Sie zu sich in sein Haus geholt hat, nachdem Sie hier angekommen waren?«
» Vincente ist ein Mann mit sehr komplizierten Gedankengängen«, sagte sie. »Vielleicht hat
er sich hier selber
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