Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
Wangen vertiefte sich. »Die Wahrheit ist, dass Sie nie ganz aus meinen Gedanken verschwunden sind, Celia. Manchmal höre ich Sie nachts singen, so, wie Sie es an jenem ersten Nachmittag getan haben, an dem Stratton mich zu einem der Salons Ihrer Mutter mitgenommen hat. Ich wäge die Schönheit jeder Frau gegen die Ihre ab und komme stets zu dem Schluss, dass niemand Ihnen gleichkommt. Sie haben mich während der letzten fünf Jahre weiterhin gefesselt, ohne überhaupt in meinem Leben anwesend zu sein.«
Es war eine sehr gute Ansprache, besonders für Anthony, der nicht gerade für seine Eloquenz bekannt war. Celia fand, dass eine solche Rede ein guter Einstieg in einen Heiratsantrag wäre. Abgesehen davon, dass Anthony nicht mehr die Möglichkeit hatte, einen solchen zu machen, nicht wahr?
»Sie schmeicheln mir zu sehr.« Sie achtete darauf, dass ihr Lächeln freundlich, aber förmlich war. »Sie sollten besser danach streben, von der guten Frau gefesselt zu sein, die in Ihrem Leben anwesend ist.«
»Das ist nicht das Gleiche. Sie hat meine Zuneigung und meinen Respekt, aber … sie ist nicht wie Sie.«
»Nach fünf Jahren ist es unwahrscheinlich, dass Sie wissen, wie ich bin, Anthony. Aber es ist nichts Falsches daran, schöne Erinnerungen zu hegen. Die sind uns allen erlaubt, egal, welche Verpflichtungen wir ansonsten eingegangen sind.«
Er lehnte sich zu ihr vor, um die Distanz zu überwinden, die die Position des von ihr ausgesuchten Sessels geschaffen hatte. »Und Sie, Celia? Hegen Sie ebenfalls schöne Erinnerungen?«
Das tat sie tief in sich vergraben wirklich, aber sie waren zu bittersüß, um sie nach dem, was geschehen war, noch einmal wachzurufen. Während er sie mit diesem ernsten Blick bedachte, stiegen die Erinnerungen allerdings unwillkürlich wieder an die Oberfläche. Und doch waren es nur die Erinnerungen, die ihr Herz berührten, nicht sein Blick selbst. Seine Augen, die einst so vertraut gewesen waren, schienen nun die eines Fremden zu sein.
Ihr wurde klar, dass er tatsächlich ein Fremder war. Fünf Jahre waren für sie beide eine lange Zeit gewesen. Keiner von ihnen war noch die gleiche Person wie zuvor. Sie war auf jeden Fall nicht mehr jenes Kind.
»Die Erinnerungen sind inzwischen ein wenig verblasst. Sie stammen aus einem vergangenen Kapitel meines Lebens. Es war jedoch sehr freundlich von Ihnen, mich aufzusuchen, um mich hier in London willkommen zu heißen. Es ist immer nützlich, einen oder zwei Freunde in der Stadt zu haben, an die man sich wenden kann, sollte es Probleme geben.«
Ein nachsichtiges Lächeln. Das gleiche, dass er ihr geschenkt hatte, als er Celia ihr großes Missverständnis seine Absichten betreffend erklärt hatte.
»Ich habe Sie nicht nur aufgesucht, um Sie in der Stadt willkommen zu heißen, Celia. Das muss Ihnen doch klar sein. Die Töchter anderer Frauen können die Kokette spielen, aber zu Ihnen passt das nicht.«
Plötzlich war ihr seine Nähe unangenehm. Sie erhob sich und begann, im Raum umherzugehen. Er stand ebenfalls auf.
»Nein, bitte behalten Sie Platz«, sagte sie. »Lassen Sie uns die Etikette ignorieren. Sie haben meine Mutter erwähnt und Vermutungen über mich angestellt. Und doch wissen Sie, dass ich aus ihrem Haus und vor ihren Plänen für mich geflohen bin. Warum nehmen Sie an, dass ich meine Meinung darüber nun geändert hätte und die Kokette spiele?«
Er lächelte und sah sich nachdrücklich in der bescheidenen Wohnstube um. »Weil das hier nicht zu Ihnen passt. Sie sollten in Mayfair leben, nicht hier. Sie sollten eine gute Kutsche und entsprechende Pferde haben, nicht den Einspänner, in dem man Sie dieser Tage herumfahren sieht. Sie sollten Seide tragen, nicht diese schlichte Wolle. Sie sind kein Mädchen mehr. Bestimmt verstehen Sie jetzt, dass Ehen aus ökonomischen Gründen geschlossen werden. Die Liebe … erfordert häufig andere Arrangements.«
Fast hätte sie laut aufgelacht, schaffte es aber, ihre bittere Belustigung zu unterdrücken. »Ihre Ansichten über den Luxus, den ich verdiene, sind wirklich entzückend. Genau wie Ihre Anspielungen bezüglich der Liebe. Denken Sie wirklich, dass ich die letzten fünf Jahre damit zugebracht habe, mich nach Ihnen zu verzehren?« Sie schenkte ihm ihr eigenes nachsichtiges Lächeln. »Aber Sie haben recht mit der Annahme, dass ich inzwischen gelernt habe, den Lauf der Welt zu akzeptieren. Ich trage Ihnen nicht nach, was geschehen ist. Was ich von Ihnen wollte … von dem ich
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