Eine Lady von zweifelhaftem Ruf
Lebens ihrer Mutter sprach. Dieser Mann wusste mehr über Mama als sie selbst. Sie fand das ungebührlich und ungerecht. Warum sollte ein Mann, der fast nie in London weilte – und zudem nicht einmal ihr Liebhaber gewesen war –, einen Teil von Alessandra kennen, der ihrer Tochter unbekannt war?
Sie unterdrückte ihren Zorn und nahm an, dass es nur die Trauer war, die sich zu Wort meldete, genau wie die Schuld und das Bedauern. Sie hatte schließlich gar nicht lange genug bei Alessandra gelebt, um alles über sie zu erfahren. Ihre Kindheit hatte sie auf dem Land verbracht und war erst mit sechzehn Jahren nach London gekommen. Ihre gemeinsame Zeit war nur sehr kurz gewesen.
»Ich möchte Ihren Mietvertrag sehen.«
»Er befindet sich in meinem Koffer. Ich werde ihn Ihnen vorlegen, sobald ich dazu in der Lage bin.«
»Ihr Koffer steht nicht oben?«
»Ich bin erst vor Kurzem in die Stadt zurückgekehrt. Ich habe mein Gepäck bei Freunden untergestellt und noch nicht wieder abgeholt.«
»Wenn dies in London Ihr Zuhause ist, warum sollten Sie Ihr Eigentum dann bei Freunden lassen? Ich glaube, dass Sie mir ein Märchen auftischen und annehmen, dass ich zu dumm bin, um es zu durchschauen. Ich glaube nicht, dass Sie hier gelebt haben. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie das getan hat. Ich glaube, dass Sie heute Abend hier herumgeschnüffelt haben und sich nun diese Lüge ausdenken, damit ich Sie nicht dem Friedensrichter melde.«
»Gibt es denn hier etwas, wofür es sich herumzuschnüffeln lohnt? Ich kann mir nicht vorstellen, was das sein könnte. Das Leben Ihrer Mutter war doch wie ein offenes Buch. Offener als das der meisten anderen Frauen.«
Fast hätte sie durch sein charmantes Lächeln die Tatsache übersehen, dass er nichts abgestritten hatte. Nun erinnerte sie sich, dass Mr Albrighton schon immer das Talent besessen hatte, Fragen so geschickt aus dem Weg zu gehen, dass man es fast nicht bemerkte.
»Waren Sie kürzlich auch in dem Haus in der Orchard Street?«, verlangte sie zu wissen.
»Ich habe nicht das Recht, dieses Haus zu betreten. Warum fragen Sie?«
Und wieder stritt er es nicht ab. »Jemand war dort, vielleicht heute während der Beerdigung oder kurz davor. Ich war heute nach der Trauerfeier mit dem Testamentsvollstrecker dort. Ihre Unterlagen waren zu ordentlich. Ich habe die Schubladen meiner Mutter niemals so aufgeräumt gesehen.«
»Wahrscheinlich hat der Notar sie nach der Inventur so hinterlassen. Anwälte sind von Natur aus höchst ordentliche Menschen.«
Es war eine gute Antwort, aber nicht die richtige. Mr Mappleton war den Besitz noch nicht durchgegangen, als sie dies bemerkt hatte, und ihm selbst waren, der die fehlenden Abrechnungen aufgefallen. Aber sie bezweifelte, dass Mr Albrighton jemals zugeben würde, das Haus illegal betreten zu haben, wenn er es denn wirklich getan haben sollte. Und er hätte auch keinen Grund dazu.
Das Zimmer hatte sich während ihres Gesprächs aufgewärmt. Sie wünschte, sie könnte die Schals ablegen. Stattdessen streifte sie nur einen von ihnen vorsichtig ab, während sie gleichzeitig peinlich genau darauf achtete, dass der andere sie ausreichend bedeckte.
Still betrachtete er sie. Sein Blick verlieh ihr das Gefühl, etwas Skandalöses und absichtlich Provokantes zu tun.
»Mr Albrighton, selbst wenn Sie die Kammer tatsächlich gemietet haben, können Sie nicht hierbleiben. Ich bin selbst hier eingezogen und wünsche nicht von einem Mieter gestört zu werden, noch dazu von einem männlichen. Ich bin sicher, dass Sie dafür Verständnis zeigen und mir zustimmen werden.«
»Ich habe wohl Verständnis, aber ich kann Ihnen nicht zustimmen. Wie bereits gesagt, habe ich einen Mietvertrag. Im Voraus bezahlt.«
»Ich werde Sie für die verbliebenen Jahre auszahlen.« Celia war davon überzeugt, dass die Summe nicht besonders hoch sein konnte. Sie wollte nur ungern an ihr Erspartes gehen müssen.
»Ich will nicht ausbezahlt werden. Ich benötige einen Wohnsitz in London und habe daher mit der Besitzerin eines ruhigen Hauses in einer ruhigen Straße eine Vereinbarung getroffen. Ich möchte darüber verfügen können, wenn ich mich in der Stadt aufhalte. Und ich halte mich momentan in der Stadt auf.«
»Sie sind eine unwillkommene Komplikation, Sir.«
»Sie müssen mich nicht willkommen heißen. Sie müssen mir nur ein Bett zur Verfügung stellen.«
»Wenn Sie die Sache aus meiner Perspektive betrachten, werden Sie sicherlich einsehen, dass ich nicht
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