Eine Lady zu gewinnen ...
versuchte, sich auf der Stelle von ihm loszumachen, aber er hielt ihre Hand und ihre Taille so fest, dass sie eine Szene hätte machen müssen, damit er sie freigab. Und sie hatte nicht die Absicht, sich vor ihm und seinen vornehmen Freunden lächerlich zu machen, auch wenn diese sich wahrscheinlich jetzt schon über sie amüsierten.
Mit einem seltsam entschlossenen Gesichtsausdruck beugte er sich dicht zu ihr. »Dem Gestüt steht das Wasser bis zum Hals, und Ihr Großvater kann es sich nicht leisten, Sie an einer Ballsaison teilnehmen zu lassen oder Ihnen eine ordentliche Mitgift zu geben. Also tun Sie nicht so, als ob Sie aus freien Stücken unverheiratet bleiben. Die Wahrheit ist, dass Ihre Finanzlage es schwierig für Sie macht, einen Ehemann zu finden. Sie versuchen nur, aus einem schlechten Blatt das Beste herauszuholen.«
Sie wäre am liebsten im Erdboden versunken. Nein, am liebsten hätte sie ihn geohrfeigt für die unbeteiligte Art, in der er ihre Probleme herunterrasselte.
»Der Ball heute Abend ist der erste Ball Ihres Lebens«, fuhr er fort. »Und Sie sind nur deshalb hier, weil ich den Herzog überredet habe, Sie und Ihre Familie einzuladen.«
Im Geiste rammte sie ihm einen hölzernen Pfahl mitten ins Herz. »Ich hätte es wissen müssen. Sie wollen mich vor Ihren Freunden demütigen. Aus Rache, weil ich Sie mit meiner Herausforderung zum Gespött gemacht habe.«
»Oh, um Himmels willen …« Er stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Selbst wenn Sie mich zum Gespött gemacht hätten, was nicht der Fall ist, liegt mir nichts daran, Sie zu demütigen.« Er blickte sie durchdringend an. »Ich habe dafür gesorgt, dass Sie zu diesem Ball eingeladen wurden, weil ich Ihnen einen Vorschlag unterbreiten will. Wenn ich Sie auf Waverly Farm aufgesucht hätte, hätte Ihr Großvater vermutlich verhindert, dass ich zu Ihnen vorgelassen werde, daher musste ich einen anderen Weg finden.«
Der Blick, mit dem er sie ansah, war aufmerksam und ernst … und irgendwie beunruhigend. Sie musste wachsam sein.
»Einen Vorschlag, der mit unserem Rennen zu tun hat?«, fragte sie, während das Blut in ihren Schläfen pochte.
»Verdammt, nein! Ich habe nicht vor, ein Rennen gegen Sie zu fahren.«
»Aha, jetzt kommt die Wahrheit ans Licht. Ich hätte Sie nicht für einen Feigling gehalten.«
Etwas glitzerte in seinen Augen. »Und ich hätte Sie nicht für so dumm gehalten.«
Sein scharfer Tonfall jagte ihr einen Schauder über den Rücken. Doch war es nicht nur ein Schauder des Erschreckens.
Damals, als er mit Roger befreundet gewesen war, hatte sie Lord Gabriel noch nicht gekannt. Roger hatte gemeint, dass sie mit dreizehn zu jung war, um sich mit ihm und seinen adligen Freunden herumzutreiben. Noch dazu waren die jungen Männer die meiste Zeit über in einem Internat gewesen, und wenn nicht, dann trafen sie sich in London, entweder in irgendeiner Schänke oder in dem Stadthaus, das Lord Gabriels Großmutter, Mrs Plumtree, gehörte.
Aus diesem Grund hatte sie ihn zum ersten Mal in ihrem Leben bei Rogers Begräbnis gesehen, und auch da nur für einen flüchtigen Augenblick, da Poppy ihn sofort von ihrem Grund und Boden verwiesen hatte.
Doch dieser Augenblick hatte ausgereicht, um ihn zu hassen: weil er das Rennen überlebt hatte, bei dem ihr Bruder den Tod gefunden hatte. Auch wenn es ihr jetzt schien, dass er vielleicht anders war, als sie gedacht hatte.
»Bitte sehr, Sie sind kein Feigling«, lenkte sie ein. »Trotzdem begreife ich nicht, warum Sie nicht gegen mich antreten wollen. Sie nehmen doch sonst jede Herausforderung an.«
»Nicht von Frauen.« Sein Blick schien sie zu durchbohren. »Nicht von Rogers Schwester.«
»Als ob das eine Rolle spielt«, erwiderte sie spitz. »Meine Familie hat Ihnen bisher nicht sonderlich am Herzen gelegen.«
»Bisher wusste ich nicht, dass Sie … Ganz egal, was Sie von mir denken, Roger war mein engster Freund. Um seinetwillen möchte ich verhindern, dass seine Schwester in einen Skandal verwickelt wird. Ich würde Ihnen stattdessen gern etwas anderes vorschlagen.«
Sie hatte nicht die leiseste Idee, woran er dabei dachte.
»Ich will Ihnen den Hof machen«, sagte er.
Einen Moment lang dachte sie, sie hätte ihn falsch verstanden. Doch dann bemerkte sie den erwartungsvollen Ausdruck auf seinem Gesicht, und ihr wurde klar, dass er es ernst meinte.
»Sie wollen mir den Hof machen?« Sie versuchte so viel Verachtung in ihre Worte zu legen wie nur möglich. »Das ist das
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