Eine Lady zu gewinnen ...
eine Lady muss praktisch denken. Ich weiß, dass Männer wie Lord Gabriel sich Ehefrauen wünschen, die ihrerseits etwas in eine Ehe einbringen. Da ich dazu nicht in der Lage bin, fühle ich mich verpflichtet, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um unsere finanzielle Situation zu verbessern.«
Ihr Verhalten bestärkte ihn in seinen Befürchtungen. Sie war kein bisschen kleinlaut und schien sich ihrer Mittellosigkeit nicht im Geringsten zu schämen. Und sie sprach über ihre Heirat, als wäre sie für sie schon eine ausgemachte Sache – ein ziemlicher Umschwung gegenüber ihrem Verhalten am Nachmittag nach dem Rennen.
Er hätte wetten können, dass diese unerträgliche Erörterung finanzieller Fragen für sie völlig untypisch war. Vielleicht hatte sie tatsächlich irgendwie von Großmutters Ultimatum erfahren? Aber wann und wie? Ganz bestimmt nicht vor dem Ball, denn sonst hätte sie es ihm schon dort ins Gesicht gesagt. Außerdem wusste abgesehen von seiner Familie und ein paar Freunden niemand davon.
»Es ist mir äußerst unangenehm, dass sich durch eine Heirat mit mir die finanziellen Verhältnisse seiner Lordschaft ändern werden«, fuhr sie fort und verstärkte seinen Verdacht damit noch weiter. »Er wird seine Stadtwohnung aufgeben müssen, ganz zu schweigen von seinen Clubmitgliedschaften. Und ich befürchte, es wird nach unserer Hochzeit kaum noch Kutschenrennen geben. Aber ich hoffe, dass unsere Zweisamkeit ihn für diese Unannehmlichkeiten entschädigen wird.«
»Sie müssen mir in dieser Hinsicht vertrauen, Miss Waverly«, beharrte seine Großmutter. »Der Junge hat Aussichten.«
»Oh, und was für welche?« Virginia sah ihn herausfordernd an. »Man will bekanntlich nicht die Katze im Sack kaufen. Ich muss praktisch denken.«
Sie wusste es. Er hatte keine Ahnung, wie sie es herausgefunden hatte, aber sie wusste von Großmutters Ultimatum. Und sie hatte offensichtlich vor, ihm deshalb die Hölle heißzumachen. Alles Bisherige war nur das Vorspiel gewesen.
Er ging zu ihr hinüber. »Miss Waverly, es sieht so aus, als ob uns bis zum Dinner noch etwas Zeit bleibt. Vielleicht möchten Sie sich unser Labyrinth ansehen? Bei Ihrem letzten Besuch schienen Sie sich sehr dafür zu interessieren, und es wäre mir ein Vergnügen, es Ihnen zu zeigen.«
»Ich wäre entzückt«, antwortete sie mit einem Gesichtsausdruck, als würde sie sich auf einen Zweikampf vorbereiten. »Wir können uns dabei weiter über Ihre ›Aussichten‹ unterhalten.«
Kein Zweifel. Sie wusste Bescheid.
»Vielleicht sollte ich sie begleiten«, setzte ihr Großvater an.
»Nicht nötig«, unterbrach ihn seine Großmutter. »Das Labyrinth ist ganz nahe beim Haus. Es wird nicht schaden, wenn die jungen Leute vor dem Dinner ein wenig frische Luft schnappen. Das fördert die Verdauung.« Sie warf Gabe einen strengen Blick zu. »Und mein Enkel weiß, dass er es mit mir zu tun bekommt, wenn er sich nicht anständig benimmt.«
»Ich komme schon zurecht, Poppy«, fügte Virginia hinzu und legte ihre Hand in Gabes Armbeuge. »Es wird nicht lange dauern.«
Nein, das würde es gewiss nicht. Gabe hatte vor, sie an all die Gründe zu erinnern, warum sie heiraten musste, und an all die Gründe, warum er der perfekte Ehemann für sie war. Im Augenblick mochte ihr Stolz verletzt sein, aber sie ritt ständig darauf herum, dass sie eine praktisch denkende Frau war – und unbestreitbar war sein Angebot für sie nicht minder vorteilhaft als für ihn.
Und bei Gott, er würde es nicht zulassen, dass sie einen Rückzieher machte. Er hatte ihre Wette in einem ehrlichen Rennen gewonnen, und er würde ihr den Hof machen, das war sie ihm schuldig. Er musste schließlich an Celia denken. Ihm blieb keine andere Wahl: Er musste einfach heiraten.
Sie schwiegen beide, als sie durch weitläufige Korridore auf den seitlichen Ausgang, der zum Park führte, zugingen. Überall waren Bedienstete, und Gabe wollte nicht, dass irgendjemand ihre Unterhaltung belauschte.
Sobald sie hinaus ins Freie getreten waren und auf das Labyrinth zuspazierten, sagte er mit leiser Stimme: »Ich gehe davon aus, dass Sie von dem Ultimatum meiner Großmutter gehört haben.«
»Ultimatum?«, fragte sie mit dem gespielt unschuldigen Blick, den sie schon im Salon zur Schau getragen hatte.
Damit schürte sie seine Wut nur noch mehr. »Stellen Sie sich nicht dumm, Virginia, das passt nicht zu Ihnen.«
Nachdem sie das Labyrinth betreten hatten, zog er sie den schmalen Gang zwischen den
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