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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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ihr um. »Du bist unsensibel, weißt du das? Teresa schüttet uns ihr Herz aus, und du ergreifst Partei für die beiden anderen.«
    Poppy ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Sie ließ sich nie aus der Ruhe bringen, solange sie eine Zigarette im Mund stecken hatte. Im Wagen war es so verraucht wie in einer brennenden Scheune. Teresa kurbelte das Fenster runter. Sie hatte es wegen des lauten Fahrtwindes geschlossen, damit Free und Poppy sie besser verstehen konnten.
    »Dieser Bill klingt nicht wie ein schlechter Kerl«, sagte Poppy.
    »Das sagst du bloß, weil du ihn nicht gekannt hast«, widersprach Teresa. »Er hat mich ausgenutzt.«
    Poppy nahm einen tiefen Zug. »Das tun wir doch alle.«
    »Stimmt. John wurde von Candy auch bloß ausgenutzt«, sagte Free.
    »Blödsinn«, konterte Poppy.
    Free drehte sich wieder um. »Wie kannst du das sagen? Du hast die beiden genausogut gekannt wie ich. Sobald Candy da war, wo sie hinwollte, verschwendete sie keinen weiteren Gedanken an John. Sie hat ihn fallengelassen wie eine heiße Kartoffel. Genauso, wie Bill es mit Teresa gemacht hat, schätze ich.«
    »Eine Geschichte hat immer zwei Seiten«, sagte Poppy. »Warum erzählst du uns nicht Candys Seite«, forderte John sie auf.
    »Wo sind wir?« fragte Poppy, als ob dies eine Rolle spielte.
    »Dreißig Meilen südlich von San Luis Obispo«, antwortete Teresa.
    »Wie fühlst du dich, Teresa?« fragte Poppy.
    »Gut.« Das entsprach nicht ganz der Wahrheit. Scheinbar hatte sie tatsächlich Fieber. Sie mußte sich irgend ein Virus eingefangen haben, dachte sie. Ihre Haut fühlte sich heiß und kalt zugleich an.
    Sie fand es seltsam, daß Poppy sie nach ihrem Befinden fragte.
    Poppy seufzte. »Na schön, ich werde dir von Candy erzählen. Aber wenn dir langweilig wird, sag's mir. Candys Leben war nicht besonders aufregend.«
     

5. Kapitel
     
     
    »Als John ins Gefängnis mußte, ging Candy nicht gleich nach Berkeley«, begann Poppy. »Es war Juni, der Sommer stand bevor. Sie hatte drei einsame Monate Zeit, um darüber zu grübeln, wie das alles hatte passieren können. Sie fühlte sich miserabel, glaubte, an allem schuld zu sein. Sie meinte, das Fiasko hätte vermieden werden können, wenn sie den Spickzettel sofort heruntergeschluckt hätte, als diese blöde Sally nach Mr. Sims geschrien hat. Andererseits fragte sie sich manchmal, ob das wirklich stimmte. Sie hatte von Anfang an gewußt, wie jähzornig John war, und beinahe hätte sie sich deswegen gar nicht erst auf eine Beziehung mit ihm eingelassen. John verlor jegliche Kontrolle über sich, wenn er wütend war. Er wurde sofort gewalttätig. Candy jedoch hatte er nie geschlagen, und das war wohl der Grund, weshalb sie so lange mit ihm zusammengeblieben ist. Manchmal kam Candy die Sache mit Mr. Sims vor wie die zwangsläufige Konsequenz aus Johns Jähzorn. Hätte er sich nicht auf der Highschool an einem Lehrer vergriffen, wäre es mit Sicherheit auf dem College passiert. John hatte von seinem Stiefvater so viel Prügel einstecken müssen, daß er sie anscheinend an anderen Menschen wieder auslassen mußte.
    Candy versuchte, John im Gefängnis zu besuchen, doch ihre Eltern waren ihr um Längen voraus. Sie hatten mit dem Gefängnisdirektor gesprochen, und jedesmal, wenn Candy zu John wollte, wurde sie schon am Eingangstor abgewiesen. Ihre Eltern haßten den Gedanken, daß ihre geliebte Tochter mit solchem Abschaum verkehrte. Lächerlich. Sie platzten vor Stolz, weil Candy auf ein angesehenes College gehen würde. Daß ihre Tochter ohne Johns Hilfe nie so weit gekommen wäre, spielte keine Rolle. Immer wieder versuchte Candy, ihnen das klarzumachen, doch sie wollten nichts davon hören.
    Schließlich wurde es September, und Candy zog nach Berkeley. John hatte nicht drei Monate, sondern fünfzehn Wochen abzusitzen. Er kam also erst raus, als Candy schon drei Wochen auf dem College war. Als er wieder frei war, ging er nicht nach Hause zurück. Candy versuchte, ihn dort zu erreichen, doch seine Eltern meinten, sie wüßten nicht, wo er steckte. Sie hinterließ Nachrichten für ihn, aber entweder gaben seine Eltern diese Nachrichten nicht an ihn weiter, oder er bekam sie und wollte Candy einfach nicht zurückrufen. Das Resultat blieb dasselbe. Candy kam nicht an John heran, und sie mußte ihr Leben weiterleben.
    Sie war völlig fertig. Sie vermißte John fürchterlich. Und je mehr Zeit verging, desto schlimmer wurde es. Sie waren fast zwei Jahre zusammen gegangen. John war der

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