Eine lange dunkle Nacht
Verblüffung entzündete sich der Kamin. Flammen schossen in die Höhe, und trotz der kühlen Meeresbrise wurde es im Zimmer schlagartig warm. Free kam weiter auf sie zu, bis er direkt vor ihr stand. Er hob sein Glas und stieß es gegen ihres.
»Auf Teresa Marie Chafey«, sprach er. »Auf daß ihr Zittern sanft vergehe.« Er trank einen Schluck.
»Woher weißt du, daß ich zittere?« fragte sie.
»Ich weiß, daß dein Handgelenk weh tut. Ich weiß, daß dein Magen weh tut. Ich weiß es, weil ich allwissend bin.« Er neigte sich zu ihr vor und küßte ihre Stirn. Sein Atem war kühl, doch seine Lippen waren warm, und es kam ihr so vor, als hätte er mit diesem einen Kuß ihren ganzen Körper gestreichelt. »Trink deinen Wein, Teresa«, flüsterte er in ihr Ohr. »Er wird dir gut tun.«
Teresa kostete den Wein. Er war warm und dickflüssig wie frischgepreßter Orangensaft mit viel Fruchtfleisch. Doch hätte er nicht so gut geschmeckt, Teresa hätte geglaubt, sie tränke Menschenblut. Es sah so aus. Mit einem Mal waren ihre Magenschmerzen verschwunden. Sie trank noch einen Schluck, und das Pochen in ihrem Handgelenk ließ nach.
»Schmeckt fantastisch«, murmelte sie.
»Du bist fantastisch.« Er küßte ihr Ohr und ihre Haare und bewegte sich langsam zu ihrem Gesicht zurück.. Er küßte ihre Augenbrauen und ließ das Glas fallen, das neben ihren Füßen in tausend Scherben zersprang. Glücklicherweise entzündete sich dieses Mal nichts. Oder vielleicht doch; plötzlich fühlte sie sich so, als stünde sie in einem Meer aus Flammen. Dieser Augenblick war pure Erotik, lustverheißend, bar jeder Vorstellung. Free hob ihr Gesicht und küßte ihre Lippen und drang mit seiner Zunge tief in ihren Mund ein, und sie fühlte sich, als wäre sie nackt.
Du bist so schlecht.
Er konnte ihre Gedanken lesen, dieser Kerl. Er nahm ihr das Glas aus der Hand und führte sie zum Bett, wo sie sich neben ihn legte und ihre Arme um seinen Hals schlang, während seine Hände Stellen berührten, die zu erkunden Bill nie gewagt hatte. Doch Teresa dachte nicht an Bill, auch nicht an Poppy, die draußen im Wagen saß. Einzig ihre Leidenschaft zählte, und vielleicht hatte die alte Hexe recht gehabt und es war wirklich schäbig, aber Teresa fand, es war höchste Zeit, Nägel mit Köpfen zu machen. Frees Lippen waren überall, und überall hinterließ der Wein aus seinem Mund dunkelrote Rinnsale, so daß es, ja, erneut so aussah, als wäre es Blut, als würde sie bei lebendigem Leib gefressen. Trotz ihrer Ekstase mußte sie bei dem Gedanken lachen. Dies war nur ein Traum, das mußte es sein. In dem Moment konnte sie sich nicht einmal daran erinnern, die Wohnung verlassen zu haben.
Ihre alles überwältigende Lust ergriff Besitz von ihrer Seele und schleuderte sie durchs Fenster hinaus in die sturmgepeitschte Nacht. Hinaus aufs Meer, das überschäumte wie ein brodelnder Hexenkessel. Weit entfernt sah sie hohe Türme, gewaltige Festungen aus Stahl und Stein, erbaut von uralten Zauberern und finsteren Fürsten, erbaut zur Verteidigung legendärer Reiche, die sich auf Schwarzer Magie und auf der Macht des Schwertes gründeten. Wie ein Geist flog ihre Seele durch die leblose Vergangenheit, während ihr Körper im Jetzt erbebte. Dieser Moment war Erfüllung, reine, köstliche Erfüllung. Es war egal, wenn sie sich morgen nicht an jedes Detail würde erinnern können. Völlig egal. Nur das jetzt Zählte. Und sie genoß es.
10. Kapitel
Sie fuhren durch den Sturm weiter nach Norden. Teresa hatte keine Ahnung, wie spät es war. Sie hatte im Haus der alten Hexe ihre Uhr verloren, genau wie ihre Jungfräulichkeit. Die Schmerzen waren wieder da; sie waren sofort wieder dagewesen, als Free sie wachgerüttelt hatte und meinte, sie solle sich schleunigst anziehen. Üblerweise hatte sie jetzt auch noch fürchterliche Kopfschmerzen, und sie wünschte sich nichts sehnlicher als ein paar Aspirin. Sie wußte nicht, weshalb Free so in Eile war, aber er hatte gemeint, daß sie irgendwo hinmüßten, bevor die Sonne aufginge. Sie hoffte, Poppy würde darauf verzichten, bei ihrem Vater, dem Priester, vorbeizuschauen.
Free saß schweigend neben ihr und starrte geradeaus. Poppy begann Candys Geschichte zu Ende zu erzählen.
»Wie gesagt, Candy hatte ein Baby, kein Geld, keine Ausbildung und keinen Mann«, fing Poppy an. »Aber sie liebte ihren kleinen Johnny, und wenn sie liebte, blühte sie auf. Sie blieb in Oregon, zog aber nach Portland, um dort ihr
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