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Eine lange dunkle Nacht

Eine lange dunkle Nacht

Titel: Eine lange dunkle Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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du mit der Waffe? Du siehst schrecklich aus.‹
    Er lächelte spöttisch. ›Tut mir leid, aber ich konnte keine Waffe finden, deren Farbe zu meiner Kleidung paßt. Hau ab, Candy. Siehst du nicht, daß ich beschäftigt bin?‹
    Sie war leichenblaß, sah aber immer noch tausendmal besser aus als John. Die Gelbsucht hatte seiner Haut die Farbe von verfaulten Zitronen verliehen. Sie machte einen weiteren Schritt auf ihn zu. Nicht mehr lange, und sie wäre nah genug, um ihm die Waffe zu entreißen.
    ›Das warst du, den ich heute abend im Krankenhaus gesehen habe‹, sagte sie.
    ›Ganz schön lange Leitung, wie immer‹, entgegnete er.
    ›John, du bist schwerkrank. Du solltest im Bett liegen.‹ Sie verstummte, verzog erneut ihr Gesicht. ›Was ist mit deiner Hand passiert?‹
    Die Frage machte John sauer. Er hatte sie Gott wer weiß wie lange nicht gesehen, und sofort mußte sie auf seinen wunden Punkt zu sprechen kommen. Ich sag' dir, diese Candy hatte keine Klasse.
    ›Ich bin in einer Teigmaschine hängengeblieben‹, sagte er verbittert. ›Aber darüber will ich jetzt nicht reden, klar? Ich will, daß du verschwindest. Ich will, daß du nach Hause gehst zu deinem Mann und deinem Sohn. Laß mich einfach in Ruhe!‹ Er feuerte ein zweites Mal auf die Whiskyflaschen; Glassplitter schossen durch die Luft. Der Mann hinterm Tresen zappelte nervös herum, was John ganz und gar nicht gefiel. ›Her mit dem Geld, oder du stirbst, du Wichser!‹ schrie er.
    Der Mann machte sich wieder daran, die Kasse zu leeren. Candy stand einfach nur da und starrte John an. Plötzlich fing sie an zu weinen. ›Was ist bloß aus dir geworden?‹ schluchzte sie. ›Warum tust du das alles?‹
    Er bekam nie Gelegenheit, es ihr zu erklären, denn in diesem Moment hörte er Polizeisirenen. Es klang, als müßten die Bullen innerhalb der nächsten Sekunden da sein. Sie waren zu dem Geschäft unterwegs, dessen war sich John sicher. Der Kerl hinterm Tresen mußte einen Alarmknopf gedrückt haben, als er sich gebückt hatte. Deshalb war der Scheißer so lahmarschig gewesen. Die ganze Zeit hatte er gewußt, daß die Bullen kommen würden.
    ›Verdammte Kacke!‹ fluchte John. Er legte die Waffe in seine Krüppelhand und versuchte sich das Geld mit seiner linken in die Taschen zu stopfen. Aber er war zu hastig,, und die meisten Scheine landeten auf dem Boden. Die Sirenen wurden lauter. Die Bullen standen praktisch schon vor der Tür! Vorn konnte er nicht mehr raus. Er mußte durch den Hinterausgang verschwinden. Er wandte sich von Candy ab und sah die Tür am Ende eines dunklen Ganges.
    ›Renn nicht weg, John!‹ schrie Candy ihm hinterher. ›Sie werden dich erschießen!‹
    Ihm war nicht danach, ihr noch länger zuzuhören. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn er sie nicht mit ihre Familie im Krankenhaus gesehen hätte. Vielleicht wäre er schlagartig ein anderer Mensch geworden, wenn er sie erst in dem Laden wiedergetroffen hätte. Aber sie hatte ihn erneut hängengelassen. Sie hatte ihn mit einem anderen Mann betrogen. Er rannte weiter.
    Die Tür war verriegelt. Verdammtes Scheißpech! Mit seiner verkrüppelten Hand hämmerte er gegen das drahtverstärkte Milchglas; seine Furcht und sein Schmerz und seine Trauer nahmen in diesen Sekunden wahrlich tragische Ausmaße an. Er war ein gefangenes, verwundetes Tier. Der Verkäufer. hatte wirklich Mut, das mußte John ihm lassen. Obwohl die Bullen jeden Augenblick eintreffen mußten, fingerte der Kerl eine Waffe hervor. John richtete seine eigene auf ihn und drückte ab. Die Kugel traf die Glasfront des Ladens; Myriaden kleiner Scherben regneten zu Boden, und der Verkäufer sprang zur Seite und hielt sich schützend die Hände über den Kopf.
    John rannte in den Innenraum zurück. Er lief gerade an der Kasse vorbei, als zwei Polizisten mit gezückten Revolvern hereingestürzt kamen.
    ›Stehenbleiben!‹ riefen sie unisono.
    John verharrte nur eine halbe Sekunde. Dann tat er etwas, das er normalerweise nie und nimmer – nicht in einer Million Jahren – getan hätte. Er hatte nur den Bruchteil einer Sekunde zum Reagieren. Er packte Candy und hielt sie sich als lebenden Schutzschild vor den Körper. Sie machte keinen Mucks, als er ihr die Waffe an die Schläfe drückte.
    ›Laßt eure Waffen fallen!‹ befahl John. ›Sonst stirbt die Frau.‹
    Die Polizisten sahen einander an. Sie waren jung, unerfahren. Sie hatten einen Fehler begangen – sie waren zu zweit in den Laden gekommen. John konnte

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