Eine Leiche zu Ferragosto
hier in Pioppica, eine alberne, bedeutungslose Geschichte. Wie auch immer, sie hat sich gerächt.«
»Und mit den Eltern des Mädchens gesprochen«, meinte Santomauro verständnisvoll.
»Nein, in so was war Elena viel subtiler. Sie hat es Olimpia Casaburi gesteckt, der bigottesten Person seit dem Konzil von Trient. Sie hat ihr in den Ohren gelegen von wegen gesellschaftlicher Verantwortung gegenüber der Jugend und so weiter und so fort, sprach von Freundespflichten, davon, dass sie ja mit beiden Seiten befreundet sei, also in der idealen Lage, die Situation einvernehmlich zu klären, so dass Olimpia, die letztlich ein dummes Huhn ist, sich in der Pflicht fühlte, etwas zu unternehmen. Sie hat Gaias Eltern informiert und gleichzeitig auch mich, aus Freundschaft, wie sie sagte. Ich nehme ihr das nicht übel, sie meinte es nur gut und glaubte, das Richtige zu tun, auch wenn ich wünschte, sie hätte sich dieses eine Mal um ihren eigenen Kram gekümmert.«
Viel mehr gab es nicht zu erzählen. Gaias Vater, ein notorischer Hitzkopf und Schläger, hatte De Giorgio aufgesucht, um ihm »die Fresse zu polieren«. De Giorgio, der zwanzig Kilo schwerer, zwanzig Zentimeter größer sowie zwanzig Jahre jünger war, hatte es geschafft, ihm nicht mehr als einen Arm zu brechen. Der Prozess lief noch, Gaia wurde auf ein strenges Internat in die Schweiz geschickt, ohne dass die beiden sich voneinander hätten verabschieden können.
»Letzten Monat habe ich sie nach zwei Jahren zum ersten Mal wiedergesehen. Sie hat mich nicht einmal gegrüßt, vielleicht weil ihre Mutter dabei war. Jetzt heißt es von ihr, sie sei ein leichtes Mädchen, gut zum Ausgehen und Spaßhaben. Ich bin seit damals in Therapie, ich habe schon Tausende von Euro zum Fenster hinausgeworfen, um meinem Therapeuten klarzumachen, dass ich kein verkappter Pädophiler bin. Vergangenen Sommer habe ich mich im Haus verkrochen, so sehr habe ich mich geschämt. Die Leute in den Geschäften grüßen mich immer noch nicht, dabei komme ich seit meiner Kindheit hierher.«
»Und mit den Mazzolenis?«
»Mit Pippo bin ich noch befreundet, war ja nicht seine Schuld. Elena gegenüber musste ich so tun, als wäre nichts gewesen, obwohl ich natürlich wusste, dass sie den Mistkübel über mir ausgekippt hatte und es weiterhin tat. Sie schoss immer weiter subtile Andeutungen auf mich ab, während ich mich mehr und mehr zurückzog. Im Winter habe ich die beiden gar nicht gesehen, nur Pippo rief manchmal an und erkundigte sich nach mir. Elena hat mein Leben zerstört. Und nun hat jemand ihrs zerstört.«
Jetzt erst wandte De Giorgio sich um und sah Santomauro ins Gesicht. In seiner Miene lag unverkennbar der Ausdruck tiefer Befriedigung.
»Jetzt will ich aber endlich mal wissen, wer zum Teufel diese Valentina ist, die immer überall auftaucht.«
»Ich habe nicht gewagt, De Giorgio nach ihr zu fragen, ich glaube auch nicht, dass er es mir in dem Moment gesagt hätte. Aber das kriege ich noch heraus, keine Sorge. Wer mich auch sehr interessiert, ist dieser Samir, den die Polignani genannt hat, aber ich vermute mal, es wird nicht ganz leicht sein herauszufinden, wer das ist.«
»Samir? Da musst du nur deinen Freund Pedro fragen, und prompt wirst du bedient!«, dabei schlug Gnarra ihm so kräftig auf die Schulter, dass er sich beinah an seiner Mandelmilch verschluckt hätte.
Sie hatten sich unterwegs getroffen und spontan beschlossen, zum gegenseitigen Austausch einen Imbiss in einer Bar mit Terrasse am Meer einzunehmen. Gnarra sammelte gerade Informationen zu den finanziellen Verhältnissen einiger beteiligter Personen, während Santomauro versuchte, die psychologischen Aspekte der Geschichte auszuloten.
Für den Maresciallo gab es drei Hauptbeweggründe, warum man einen anderen Menschen tötete: Liebe (oder ihre Kehrseite, der Hass), Angst oder Geld. Spielte allem Anschein nach die Leidenschaft eine große Rolle, hieß das nicht, dass sich dahinternicht ein finanzielles Motiv verbarg: Beide Carabinieri hatten im Laufe ihres Berufslebens genug gesehen, um zu wissen, dass Geld die Leidenschaft manchmal mindestens so befeuern konnte wie die Liebe, wenn nicht noch mehr.
Gnarra hatte einige interessante Kleinigkeiten recherchiert. Die Wohlhabende in der Familie Mazzoleni war sie gewesen. Ihre Eltern hatten ihr ein beträchtliches Erbe hinterlassen, das nun eins zu eins in Pippos Hände überging, der nur mäßig wohlhabend gewesen war, aber schuldenfrei und mit einem gut
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