Eine Leiche zu Ferragosto
laufenden Büro.
Bei Regina Capece Bosco lag die Sache anders. Die Bridge-Passion hatte sie weit abgeführt, denn sie beschränkte sich keineswegs auf Partien unter Freunden, sondern war in einen härteren Zirkel eingestiegen. Wenn man dann noch ihren Hang zum Luxus und zu den schönen Dingen des Lebens hinzuaddierte, entstand das Bild einer Frau, die sich im Herbst ihres Lebens vor dem Abgrund der Armut wiederfand, oder zumindest des Mittelmaßes, was für sie wahrscheinlich ebenso inakzeptabel war.
Olimpia Casaburi und ihr Mann Sergio hatten finanziell ausgesorgt, mit krisensicheren Anlagen und hypothekenfreien Besitztümern.
Bebè Polignani genoss ihren Reichtum fröhlich aus vollen Zügen in der Gewissheit, dass drei Leben nicht genug wären, um all das zu verpulvern, was der Notar ihr hinterlassen hatte.
Mehr hatte Gnarra nicht in Erfahrung bringen können, doch er würde dem in den nächsten Tagen weiter nachgehen. Das Ergebnis war auch so schon beachtlich, wenn man bedachte, dass er gerade mal ein, zwei Stunden herumtelefoniert hatte. Nachdem der Kollege ihn auf den neusten Stand gebracht hatte, berichtete Santomauro von seinen Fortschritten, und beim Namen Samir brach Pedro in Gelächter aus.
»Dein Problem, Simone, ist, dass du Klatsch und Tratsch nicht leiden kannst, sonst wüsstest du nämlich, wer Samir ist.«
»Tja, wenn du so gut informiert bist, sag du es mir doch.«
»Komm schon, nicht beleidigt sein! Samir kennst du garantiert auch, zumindest vom Sehen. Er ist einer von den zweien,die diese dünnen Strandfähnchen verkaufen, der jüngere der beiden.«
Da fiel es Santomauro ein, und er schlug sich im Geiste gegen die Stirn. Samir war einer der zwei fliegenden Händler, die von Juni bis September über die Strände von Pioppica streiften und zur Freude der älteren und jüngeren Damen bunte Stoffe und Ethno-Schmuck feilboten.
»Der Jüngere, sagst du? Der Gutaussehende.«
»Ja, genau der, wenn ich eine Frau wäre, würde ich ihn durchaus in Erwägung ziehen.«
Samir war wirklich ein Prachtexemplar von einem Mann, etwa fünfundzwanzig Jahre oder jünger, mit wohlgestaltetem Körper und einem tiefbraunen, gleichmäßigen Teint. Sein Gesicht war wie gemeißelt, eine afrikanische Gottheit, mit arroganten Lippen und Nasenflügeln und den Augen eines Prinzen. Einmal war er dem Maresciallo auf der Straße aufgefallen, und er hatte sich gefragt, was dieses Abbild des wilden Afrika in den Gassen des Dorfes tat, dann hatte er ihn am Strand wiedergesehen. Sein Kompagnon besaß eine flinke Zunge und bezirzte die potenziellen Käuferinnen mit seinen Reden. Samir hingegen stand still wie eine Säule, ohne ein Lächeln, die stolze und distanzierte Miene reglos in dem großartigen Gesicht. Der Sozius drapierte Kleider und Stoffe über ihn, deren lebendige Farben durch den Kontrast zu seiner Haut noch prächtiger leuchteten, und die Damen kauften und kauften, während er aufs Meer hinausblickte.
»Aber was hatte Elena Mazzoleni mit dem fliegenden Händler Samir zu tun?«, fragte Santomauro den Brigadiere, der ihn über sein Glas hinweg grinsend ansah.
»Was glaubst du denn, was die beiden miteinander zu tun hatten? Na komm, Simone, ein bisschen Phantasie!«
»Du meinst …? Und woher willst du das wissen, wenn ich fragen darf?«
»Ich weiß nicht genau, was die Mazzoleni tat, aber ich weiß, was Samir in seiner Freizeit tut, und da kann man leicht zwei und zwei zusammenzählen.«
»Es ist besser, wenn du mir alles erzählst.«
Pietro Gnarra breitete lächelnd die Arme aus, und die drei Goldkettchen, die er um den Hals trug, klimperten fröhlich.
»Ganz einfach, tagsüber verkauft er den schönen Frauen Schmuck und hübsche Kleider am Strand, um sie ihnen abends wieder auszuziehen, kurz, er hilft den gelangweilten Damen, es im Urlaub drei Monate ohne ihre Ehemänner auszuhalten, die derweil arbeiten gehen.«
»Und woher weißt du das?« Santomauro war nicht naiv, aber diese Enthüllung verblüffte ihn doch. Von nun an würde er die weiblichen Feriengäste mit neuem und misstrauischerem Blick betrachten.
»Ich sehe eben genau hin, mein Lieber, und höre zu, nicht wie du, der immer in seinem Elfenbeinturm sitzt und die Nase in Bücher steckt.«
Santomauro musste lachen, und Gnarra fuhr voll Stolz über seine Informationen fort.
»Er ist sehr diskret, dient sich niemandem an, die Frauen kontaktieren ihn. Das hat sich herumgesprochen und mittlerweile hat er Kundinnen in Acciaroli, Palinuro, Ogliastro,
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