Eine Leiche zu Ferragosto
Zeit, einander kennenzulernen, auch wenn Sie sich nicht mochten.«
Olimpia schnaubte verächtlich, dann musste sie ihm widerstrebend recht geben. Sie und Valentina Forlenza kannten sich seit langem und, ja, sie hatten gemeinsame Freunde, weshalb sie sich sporadisch trafen, vor allem im Sommer.
»Aber im Winter nicht. Sie wohnt nicht in Neapel, und in Rom, wo wir auch ein Haus haben, ist sie immer nur sehr kurz.«
»Sie kommt also aus Rom?«
»Nein, aus Perugia«, sagte die Signora und entspannte sich ein wenig. Letztlich plauderten sie ja nur, und der Maresciallo war im Grunde ein anständiger Mann. »Ihr Vater war aus Rom, die Mutter aus Neapel, aber sie ist in Perugia geboren und dort hat sie noch ein Haus, in das sie ab und zu zwischen zwei Reisen zurückkehrt.«
»Ich dachte, sie sei Ingenieurin.«
»Ist sie auch, und wie man hört, sogar eine gute«, gab die Casaburi großmütig zu, »deshalb schicken sie sie immer herum, ein Jahr nach Amerika, zwei nach Frankreich, jetzt ist sie, glaube ich, gerade in Helsinki, sie hat wirklich ein schönes Leben.«
Nach dem Wenigen, was Santomauro über Helsinki wusste, bezweifelte er das stark, doch er hütete sich, der Dame zu widersprechen, die nun ganz erpicht darauf schien, nach Herzenslust zu tratschen.
»Ich habe sie vor vielen Jahren kennengelernt, als ich zum ersten Mal mit Sergio herkam. Sie ist ein Mädchen, das sofort ins Auge sticht, nicht im eigentlichen Sinne schön, aber ebenbesonders, und sie war immer eine, die nicht lange fackelt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Der Maresciallo verstand sie sehr gut und hatte sofort das Bild von zwei jungen Frauen vor Augen, die eine beliebt und leichtlebig, die andere gehemmt und nicht wirklich hübsch. Die Antipathie für Valentina wurzelte tief, und Olimpia gelang es mehr schlecht als recht, die Bitterkeit hinter ihren Worten zu verbergen. Valentina hatte Erfolg bei den Männern, den zukünftigen Signor Casaburi vielleicht eingeschlossen. Sie scherte sich trotz ihrer Jugend keinen Deut um die Meinung der anderen, wechselte den Freund in einem für die Betroffenen, nicht aber für sie haarsträubenden Tempo und unterschied dabei nicht nach Kasten.
»Verstehen Sie, als sie sich auf Pippo Mazzoleni kaprizierte, war er noch nicht der erfolgreiche Architekt von heute, mit renommiertem Büro und Partnern, die den richtigen Nachnamen führen. Er war nur Kellner in der Bar Centrale, der von seinen Eltern in den Ferien zu den Verwandten geschickt wurde, die damals eben die Bar betrieben. Er servierte unserer Gruppe kleine Pizzen und Getränke, aber da er gut aussah und sich zu benehmen wusste, begann er mit uns auszugehen. Wir hatten immer einen Platz für ihn im Auto, und ich schätze, den Eintritt fürs Blue Moon, die Chitarella oder die anderen Lokale verdiente er sich tagsüber mit der Kellnerei.« Der unterschwellige Rassismus leuchtete zusammen mit dem selbstzufriedenen Lächeln in ihrem Gesicht auf, während sie in Erinnerungen schwelgte. Santomauros Laune, der als junger Mann selbst mittellos und stolz gewesen war, wenn auch nicht wirklich attraktiv, verdüsterte sich zusehends.
Olimpia merkte nichts davon und fuhr fort: »Danach ging er weg, er hat studiert und seinen Weg gemacht, aber damals, als er mit Valentina zusammenkam, waren wir alle ein wenig … konsterniert, Sie verstehen, was ich meine?«
»Natürlich, Signora, ich verstehe Sie sehr gut.«
»Tja, und Valentina nahm ihn sich und ließ ihn fallen wie alle anderen zuvor, und auch in den folgenden Sommernnahm sie ihn sich, ganz wie es ihr beliebte. In der Zwischenzeit hatte auch Elena Ragucci ein Auge auf ihn geworfen, aber ein viel ernsthafteres. Sie haben sich in der Stadt wiedergesehen, kamen zusammen und haben geheiratet, und das ist das Ende der Geschichte.«
»Wie, das Ende? Das machen Sie mir nicht weis. Valentina hat ihn sich einfach so wegnehmen lassen?« Santomauro war fast ein wenig enttäuscht.
»Oh, da haben Sie nicht richtig zugehört, Maresciallo! Valentina vögelte – zumindest damals – mit allem, was einen Schwanz hatte. Sie war es, die entschied, die wegwarf. Sie hat ihn ihr überlassen, verstehen Sie? Ausschussware.«
Santomauro vermutete, dass Pippo nicht Valentina Forlenzas einzige Ausschussware war, die sie ohne Bedauern zurückließ, damit eine andere ihn heiratete.
»Dann schließen Sie also aus, dass diese Valentina in all den Jahren irgendwelchen Ärger oder Ressentiments angestaut hat?« Auch ihm kam das schon
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