Eine Leiche zu Ferragosto
Sünden zu begehen, und außerdem große Lust, diese Sünden einem Jesuiten zu beichten, der noch nicht mit einem Bein im Grab stand. Nein, seine Sorge galt allein der störenden Präsenz Olimpias, die sich wie zufällig immer wieder hinter Bebès Rücken in und um das Haus zu schaffen machte, während diese ahnungslos redete und redete.
»Was machst du, Antonino, ein bisschen frische Luft schnappen in der Augusthitze? Warum ist die Tankstelle geschlossen?« Santomauro ließ sich neben dem alten Tankwart auf der Bank nieder. Die Piazzetta war zu dieser Tageszeit zwischen Nachmittag und Abend halb verlassen. Aus den Häusern ertönten Geschirrklappern und Fernsehgeräusche. Antonino sah betrübt aufs Meer hinaus.
»Wisst Ihr das denn nicht, Maresciallo? Ich habe dichtgemacht, endgültig. Besser gesagt, zwangsdichtgemacht.«
»Wieso?«
»Keine Ahnung, die da oben haben das bestimmt. Sie haben mir einen Haufen Papiere vorgelegt, die ich unterschreiben musste, und ich krieg sogar eine Rente. Aber die Rente interessiert mich nicht, seit über dreißig Jahren stehe ich an der Zapfsäule, da sagen Sie mir mal, was ich mit einer Rente soll.«
Mühsam entlockte Santomauro dem Alten die ganze Geschichte. Es schien neue Verordnungen zu geben, die vorschrieben, dass in Wohngegenden eine bestimmte Anzahl an Tankstellen nicht überschritten werden durfte. Pioppica Sotto war zu klein, also hatte man sich zugunsten der stadtnahen, dichter bevölkerten Gebiete entschieden. Antonino sah traurig auf seine schwieligen Finger.
»Bleibst du trotzdem hier?«
»Wo soll ich denn hin, Maresciallo? Das Haus in Moio habe ich verkauft, meine Kinder sind hier, also bleib ich lieber bei meinen Enkelchen und nehme ab und zu ein Bad im Meer.«
Beide lachten gezwungen, dann stellte Santomauro die Frage, die ihm auf dem Herzen lag und die er ihm schon vor ein paar Tagen hätte stellen sollen.
»Natürlich kann ich mich erinnern. Alle fragen immer, ob der oder der schon da ist, weil bei mir einfach jeder zum Tanken vorbeikommt, zumindest bisher. Die arme Frau jedenfalls war dieses Jahr eine der Ersten, die kamen, und danach haben mich viele ihrer Freunde gefragt, ob die Mazzolenis schon da sind.«
»Wer zum Beispiel?«
»Die Signora von der Rocca, die Capece Bosco, und auch diese hübsche Blonde, die Notarswitwe. Ach ja, auch die Frau des Dottor Casaburi. Und Professor de Collis. Alle wollten wissen, ob Herr und Frau Mazzoleni schon angekommen sind und wann. Ach, außerdem hat mich eine speziell nach der armen Frau gefragt. Sie wollte wissen, ob sie da ist und ob ich Signor Pippo gesehen habe. Ich sagte ihr, ich habe ihn nicht gesehen. Ich weiß das noch, weil kurz vorher dieser vermaledeite Brief gekommen war, in dem stand, dass meine Tankstelle geschlossen wird.«
»Und wer war diese Signora?«, fragte Santomauro und versuchte, seine Aufregung im Zaum zu halten.
»Die Ausländerin, wie heißt sie noch, also ich nenne sie immer die Ausländerin, weil sie mir jeden Sommer erzählt, dass sie wieder woanders wohnt. Die Ingenieurin, die Nichte der Capece Bosco, Valentina, ja, so heißt sie, Valentina Forlenza.«
»Fährt er etwa schon wieder zu ihr?«
»Ja. Ob er nicht merkt, dass er da irgendwann noch Scherereien kriegt? Das müsste ihm mal jemand sagen.«
»Ja, sag du’s ihm doch, wenn du dich traust.«
»Schon klar, kann es eigentlich sein, dass ich immer die Drecksarbeit machen muss? Simone? Entschuldige, hast du eine Minute?«
»Bitte, Totò, aber mach es kurz, ich bin nämlich auf dem Sprung.«
»Fährst du wieder zu dieser Frau? Der Architektessa?«
»Ja, und?«
»Es wäre besser … Schon gut, ich sage nichts mehr, ich weiß, es geht mich nichts an, aber versuch wenigstens, dich nicht vom ganzen Ort sehen zu lassen!«
Die Beziehung zwischen Maresciallo Santomauro und Venera D’Agosto, genannt die Architektessa, war das Skandalthema Nummer eins in Pioppica Sopra und bei den Carabinieri.
Eine vollkommen platonische Beziehung, denn während Santomauro gerade mal Anfang vierzig war, hatte die Architektessavor drei Monaten die zweiundachtzig Jahre vollendet. Der Carabiniere besuchte sie regelmäßig, ein- oder zweimal im Monat, und kam niemals mit leeren Händen. Oft brachte er Wein mit, manchmal selbstgepflückte Feigen von seinem Baum. Sie setzte ihm einen Käse mit Würmern vor, dessen würzigen, frischen Geschmack, der sicher den kleinen Tierchen zuzuschreiben war, Santomauro nach und nach fast gegen seinen Willen
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