Eine Leiche zu Ferragosto
bewusst dafür entschied, bei einem Mann zu bleiben, der sie früher oder später umbringen würde, wenn er nur wütend genug war, oder es zumindest versuchen würde. Oder Gerry Buonocore, der immer weiter Asiatinnen heiratete, ohne jemals zu verstehen, warum er ihrer schon nach kurzer Zeit überdrüssig wurde, oder die streitsüchtigen Polinnen, die lieber glaubten, ihre Freundin habe sich umgebracht, als dass sie einen Spaziergang machte. Also würde er jeder Spur folgen, und deshalb saß er nun bei den Buonocores im Liegestuhl und schlürfte einen fremdartigen, aber durchaus schmackhaften Tee.
»Wirklich gut. Was ist das?«
»Bancha-Tee. Schmeckt er Ihnen? Wenn Sie wüssten, wie schwer der zu kriegen ist. Den gibt’s nicht einmal in Vallo della Lucania. Ich bringe ihn mir immer aus Rom mit.«
»Ciccinella hat ihn«, meinte der Maresciallo leise und leerte seine Tasse.
Als Pippo Mazzoleni begann, sein Haus zu durchforsten, wusste er selbst nicht, wonach er suchte und warum. Nach dem Besuch des Carabiniere vor einigen Tagen hatte er sich mehrfach bei der Überlegung ertappt, was das Auftauchen des Mannes zu bedeuten hatte. Gab es eine Spur, etwas, das ihm entgangen war, als er aus Mailand angereist war, voll guter Vorsätze in Bezug auf Elena?
Anfangs war er ganz methodisch vorgegangen, hatte die Räume mit dem neutralen Blick eines Fremden betrachtet und sich vorgestellt, er wäre Carabiniere, der nach Anzeichen dafür suchte, dass sich hier der Mörder aufgehalten hatte. Auf ihn hatte alles normal gewirkt, in der gewohnten Ordnung beziehungsweise der kontrollierten Unordnung nach all den Tagen, die er nun schon allein hier verbracht hatte. Maria, die Zugehfrau aus Pioppica, beschränkte sich mittlerweile auf einen groben Schnelldurchgang und gab zu verstehen, dass sie nicht bereit war, eine Sekunde länger als nötig in dem Haus des Verbrechens zu bleiben, und er, der froh war, dass sie ihn nicht weiter nervte, ließ sie gewähren.
Nach dem ersten Überblick war er zu einer gründlichen Durchsuchung übergegangen, zuerst planvoll, dann immer atemloser, je klarer ihm die Sinnlosigkeit und Immensität des Vorhabens wurde, das er sich aufgehalst hatte. Er wusste nicht einmal, wonach er suchte, war sich aber sicher, dass da etwas sein musste, vielleicht für seine Augen und die des Carabiniere unsichtbar. Er fing im Wohnzimmer an, rollte Teppiche auf, nahm Bilder von den Wänden, stellte Vasen und Kunsthandwerk auf den Boden, häufte Bücher und alte Mickey-Maus-Hefte aufs Sofa, von dem er die Polster entfernt hatte. Dann ging er zur Kücheüber, wo er sogar den Gefrierschrank ausräumte, Nudelpackungen aufriss, Konserven und Waschmittel über den Boden verteilte, bevor er dann zum Schlafzimmer kam, in dem er einen riesigen Haufen mit seinen und Elenas Kleidern auf das Bett warf und wild alle Schubladen durchwühlte.
Santomauro traf ihn im Bad an, wo er das Werk der Verwüstung gerade vollendete. Bei seiner Ankunft hatte der Maresciallo geglaubt, das Haus sei von Einbrechern heimgesucht worden, ein solches Chaos hatte er vorgefunden. Bücher, Zeitungen, Flaschen, Lebensmittel, Badesachen, Damenschuhe, Sandalen, aufgewickelte Pareos, Putzlumpen, Kissen und was sonst noch alles lagen wie ein bunter Teppich über den Boden verstreut, so dass er sich mühsam seinen Weg bis zum Bad bahnen musste, aus dem kampfähnliche Geräusche drangen.
Mazzoleni hockte zwischen Kloschüssel und Dusche auf dem Boden. Erschöpft sah der Mann zu ihm auf, als erwache er gerade aus einem unruhigen Schlaf. Über die kleinen, weißen und blauen Kacheln verteilt lag der Inhalt der Badschränkchen. Zerstreut registrierte der Maresciallo, dass Elena Mazzoleni ihrem Gesicht und ihrer ganzen Person sehr große Aufmerksamkeit gewidmet haben musste. Auf jeden Fall hatte sie sich sehr gepflegt, mit den teuersten Produkten, die der Markt hergab. Iolanda war genauso gewesen, und Santomauro kannte sich mit Marken und Preisen bestens aus. Auf dem Boden lagen Feuchtigkeits- und Pflegecremes, Parfüms und Duftwässerchen, Gesichtswasser, diverse Sorten Reinigungsmilch, Anti-Cellulite- und Aufbaucremes, Lidschatten, Lippenstifte, Wimperntusche, Körpergels, Gesichtssprays, Shampoos, Après-Sun-Lotions, Sonnenschutz für die Haare, Entfärbungsmittel für lästige Härchen, Konturenstifte für Lippen und Augen, Mascara, Deos, Puder, Bräunungscremes, Massagecremes und Brustgels, Haarspray, Schwämme und mindestens vier verschiedene Badezusätze.
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