Eine Leiche zu Ferragosto
mehr, und erst als er in seinem Bett lag, überkam ihn ein unbehagliches Gefühl. In dem Haus fehlte etwas, etwas Grundlegendes, und er war genauso weit wie Pippo davon entfernt, darauf zu kommen, was es war. Eine Stunde lang wälzte er sich im Bett hin und her und versuchte, eine flüchtige Erinnerung zu packen, die kurz vor seinem inneren Auge aufgetaucht war, doch schließlich schlief er ein und übersah schlummernd ein anderes, viel offensichtlicheres Detail, das er direkt vor sich gesehen hatte oder, besser gesagt, nicht gesehen hatte.
Freitag, 17. August
Am Freitagmorgen wachte Santomauro auf und hatte schlechte Laune. Zerfaserte Traumschatten der Nacht waberten hartnäckig durch die Winkel seines Gehirns, und er brauchte zwei Tassen starken Tee und zwei Zigaretten, um sie endgültig zu verscheuchen. Die schlechte Laune aber blieb und wie eine warme, stickige Decke trug er sie bis zur Carabinieriwache mit sich herum. Gnarra kam ihm schon entgegen und begleitete ihn ins Büro. Auf der Bank davor saß eine Frau, die ihm vage bekannt vorkam.
»Halt dich fest, Simone, wir haben eine Spur, ach, was rede ich, viel mehr!« Pedro wirkte aufgeregt, fast frenetisch, und Santomauro sah ihn schief an.
»Ich habe dir einen wichtigen Zeugen gebracht. Aber ich möchte nichts vorwegnehmen, das musst du dir selbst anhören.« Damit ging er zur Tür, öffnete sie und ließ die Frau herein.
Sie hieß Amavila Ciccuto, freiberufliche Zugehfrau, wie sie selbst sagte. Der Maresciallo erkannte sie erst auf den zweiten Blick: Es war die Frau, die ihm bei Bebè Polignani die Tür geöffnet hatte. Die mit dem Seidentüchlein um den Hals und dem vielen Schmuck. Sie erklärte, dass sie in einigen Villen aushalf, auch in denen, die eine feste ausländische Putzkraft hatten. Man rief sie für die schwereren Arbeiten, sie reparierte verstopfte Toiletten, schnitt bei Bedarf Bäume und Hecken oder lieferte frisches Gemüse. Was sie zu berichten hatte, war Folgendes, der Reihe nach: Sie hatte Signora Olimpia Casaburi sagen hören, sie hätte Elena Mazzoleni liebend gern eigenhändig erwürgt. Genauer gesagt, hatte sie das dem Jesuiten gegenüber geäußert, derdarauf geschwiegen hatte. Der Architekt De Giorgio hingegen hatte am Telefon mit einer gewissen Valentina geredet oder ihr auf Band gesprochen und wortwörtlich gesagt: »Das Miststück ist tot, wenn du es warst, hast du mir einen Gefallen getan, wenn ich es war, hab ich dir einen getan, ciao ciao.« Das hatte sie nicht genau verstanden, aber der Architekt war auch betrunken gewesen. Ingenieur Buonocore hatte mit seiner Frau Aloshi darauf angestoßen, dass sie an irgend so einem Fluss säßen und die Leiche ihrer Feindin vorbeischwimmen sähen. Auch das hatte sie nicht richtig kapiert, da die arme Signora ja ins Meer geworfen worden war, aber vielleicht könnten sie sich ja einen Reim drauf machen. Die Polignani hatte nichts gesagt, aber man hatte ihr angesehen, wie zufrieden sie war. Die Capece Bosco weinte immerzu, wenn sie sich unbeobachtet glaubte. Der Journalist hatte zu seiner Freundin gesagt – Freundin!, um es mal so zu nennen –, dass er nun, wo alles wieder in Ordnung sei, auch aufhören könne zu arbeiten. Signora de Collis war abgereist, damit – so die exakten Worte des Ehemannes – niemand sah, wie froh sie war. Und so weiter und so fort. Zwanzig Minuten lang lauschten sie der Ciccuto und machten sich unnütze Notizen über Unschuldige, die ein loses und vorlautes Mundwerk hatten. Vielleicht gab es aber einen unter ihnen, der nicht unschuldig war, also hörten sie sich das Geschwätz bis zum Stumpfsinn an, brachten ihr Kaffee und bedankten sich, als sie endlich fertig war.
»Du lieber Himmel!«, entfuhr es Gnarra, kaum dass sie zur Tür raus war. »Wer holt sich denn freiwillig diese Schlange ins Haus! Da kümmere ich mich doch lieber selbst um mein verstopftes Klo, vielen Dank!«
Santomauro erwiderte nichts; er ging noch einmal seine Notizen durch auf der Suche nach etwas Brauchbarem.
»Was machen wir jetzt? Ich würde zu Regina Capece Bosco gehen und sie fragen, warum sie uns nichts von ihrer unternehmungslustigen Nichte erzählt hat.«
»Ich schaue bei De Giorgio vorbei, du kümmer dich lieber noch einmal um die Finanzlage, dann treffen wir uns zum Mittagessen im Cantarato und sehen weiter.«
»Und Regina?«, fragte Gnarra scheinbar enttäuscht.
»Die lassen wir köcheln, sie wird mittlerweile wissen, dass wir es wissen, und sich fragen, warum wir nicht
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