Eine Leiche zu Ferragosto
Einen Moment lang tat ihm die Frau leid, deren Schönheit auf so grausame Art zerstört worden war.
»Nichts«, meinte Mazzoleni und fuhr sich müde mit der Hand über die Augen.
Der Maresciallo nickte verständnisvoll, doch der Mann fuhr fort, als habe er es nicht bemerkt. »Ich habe alles durchgesucht und bin trotzdem nicht weiter als zuvor. Ich weiß nicht, warum sie ermordet wurde, was sie getan hat, ich weiß nichts.«
Santomauro half ihm hoch, und beim Hinausgehen fiel sein Blick auf einen kleinen Haufen Fläschchen, die ihm vorher nicht aufgefallen waren. Er nahm eins und betrachtete es stirnrunzelnd, dann wandte er sich fragend an den Hausherrn.
»Was ist denn das?« Die Frage war überflüssig. Schlafmittel, alle von derselben Firma und in rauen Mengen.
Mazzoleni wich seinem Blick aus und sah verlegen zu Boden.
»Die waren von Elena. Sie konnte ohne nicht einschlafen. Normalerweise benutzte sie auch Augenmaske und Ohrstöpsel.«
»Nicht dass Sie mir eine Dummheit anstellen mit all den Schlafmitteln im Haus!«
»Aber nein, wo denken Sie hin.« Er schien ernsthaft beleidigt, und Santomauro war beruhigt.
»Wenn ich gar nicht schlafen kann, nehme ich eine, aber für so was bin ich wirklich nicht der Typ, das können Sie mir glauben. Ich habe sie nicht weggeworfen, weil ich nichts von Elena weggeworfen habe, noch nicht. Aber das werde ich bald tun, vielleicht schon morgen, ich werfe alles weg, statt aufzuräumen.«
Zum ersten Mal lächelte er spontan, und Santomauro musste unwillkürlich mit lächeln.
»Maresciallo, wo Sie schon mal hier sind, möchte ich Ihnen etwas sagen.« Pippo sah ihm ins Gesicht. Santomauro nickte, und der Mann fuhr verlegen fort.
»Ich habe gehört, dass Ihnen schon gewisse Dinge zu Ohren gekommen sind. Ich danke Ihnen für die Diskretion, aber ich glaube, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig.«
Santomauro hatte ihn keineswegs aus Diskretion, sondern aus Taktik noch nicht zu Valentina Forlenza befragt. So war das nun mal bei Ermittlungen, dennoch schämte er sich ein wenigund nickte wieder nur schweigend. Pippo hatte sich abgewandt und wanderte, die Hände in den Hosentaschen vergraben, durchs Wohnzimmer. Mit den Füßen schob er vorsichtig die Dinge zur Seite, die ihm in den Weg kamen.
»Die Geschichte mit Valentina war mehr als eine kleine Liebelei, das ist gar nicht zu leugnen. Aber sie ist zu Ende. Was auch immer Ihnen ihre Freundinnen«, hier hörte man seiner Stimme die Anführungszeichen an, »gesagt haben, es ist nichts Wahres dran. Valentina ist eine großartige Frau, aber zwischen mir und ihr läuft schon eine Weile nichts mehr. Jede anderslautende Unterstellung entspringt allein ihrer beschränkten, kranken Phantasie. Halten Sie sich nicht damit auf. Die traurige Wahrheit ist, dass Elena ausgerechnet in dem Augenblick ermordet wurde, als ich darüber nachdachte, wieder mit ihr zusammenzuleben. Was für eine Ironie des Schicksals! Ich weiß, dass Sie es gewohnt sind, Lügen zu hören, Maresciallo, aber das ist die Wahrheit. Glauben Sie mir?«
Ihm schien wirklich daran zu liegen, deshalb nickte Santomauro, ja, er glaubte ihm, auch wenn er in seinem Innern wusste, dass die Akte Valentina damit längst nicht geschlossen war.
Nach einem Moment betretenen Schweigens wurde ihre Unterhaltung wieder so natürlich, als kennten sie sich schon lange. Nach einer Weile nahm Santomauro die etwas zögerlich vorgebrachte Einladung zum Abendessen an und wurde zu seiner Freude positiv von Pippos Kochkünsten überrascht, der zuvor schnell ein wenig Ordnung in der Küche geschaffen hatte.
Es gab Grillhühnchen in Essig mit Zucchini alla cilentana, die Mazzoleni mit der Selbstverständlichkeit eines erfahrenen Kochs kleinschnitt, in Ei und Pecorino wendete und in der Pfanne briet. Eingedenk Manfredis Bemerkungen über seine mit Dosenfutter und Würstchen gefüllte Speisekammer machte der Maresciallo ihm ein vorsichtiges Kompliment. Pippo erwiderte, dass er für sich allein nur ungern koche, mit andern zusammen aber Spaß daran habe.
»Ich habe immer für Elena gekocht, auch wenn wir Gäste hatten, doch wir verrieten den Freunden nichts, weil sie sieglauben machen wollte, es sei ihr Werk gewesen. Mir war das egal.«
Sie verbrachten einen netten Abend, garniert mit einem grandiosen Marano vom Weingut Bigi, einem Weißwein mit dem Körper und dem Bouquet eines sehr guten Roten, der nicht unerheblich zum Gelingen des Abends beitrug. Santomauro war so entspannt wie seit langem nicht
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