Eine Leiche zu Ferragosto
Ihrem Leben kennengelernt haben. Und auf keinen Fall ist sie eine Mörderin.«
»Nun muss ich gestehen, dass ich nicht ganz mitkomme. Was wären die Troika und die Peretroika?«
»Entschuldigen Sie«, meinte De Giorgio lächelnd, »manchmal vergesse ich, dass Sie keiner von uns sind.«
Santomauro nickte bitter, und sein Gegenüber klärte ihn auf. Die Damen vom Bridge-Kreis waren so zahlreich, dass sie verschiedene Tische organisiert hatten, die mit der Zeit zu festen Einrichtungen geworden waren. Bei den wichtigeren Turnieren, zu Beginn und Ende des Sommers, trafen sie sich alle gemeinsam, und auch für die samstäglichen Miniturniere mit Ehemännern und Partnern, doch die täglichen Tischrunden waren getrennt und heiß begehrt. Eine Signora war erst richtig integriert, wenn sie dort einen Platz ergattert hatte, und sei es auch nur als Reservistin, und die faulen Nachmittage zwischen einem Robber und dem nächsten waren eine gute Gelegenheit, um gnadenlose Urteile über alte und neue Freunde hinauszuposaunen. An dem einen Spieltisch regierte als unumstrittener Souverän Regina Capece Bosco, ein zweiter gewährte auch anderen Damen Zutritt, befand sich aber in einer ein klein wenig unterlegenen Position.
»Und da Reginas Tisch scherzhaft die Troika genannt wird und die neapolitanischen Damen eine spitzere Zunge haben als die aus dem Cilento, sind die anderen hochzufrieden mit ihrem Spitznamen, wenngleich sie vorgeben, seine Bedeutung nicht ganz zu verstehen. Glauben Sie mir, der Begriff perete ist noch eine freundliche Untertreibung.«
Santomauro grinste. Er kannte die Doppelbedeutung des neapolitanischen Ausdruckes, der nicht nur die mit unangenehmen Gerüchen einhergehende Entlüftung des Darms bezeichnete, sondern auch eine ebenso versnobte wie dumme Frau.
»Kurz, Valentina kann ihnen nicht gefallen, aber eine Menge anderer Menschen mögen sie. Hören Sie sich doch nur mal in Pioppica um, in den Lokalen, Sie werden sehen, dass sie dort gut über sie reden. Was die Damen betrifft, ist Valentina erstens wesentlich klüger als jede von ihnen, mal abgesehen von Regina vielleicht. Zweitens sieht sie den Sinn des Lebens nicht darin, anderen zu beweisen, dass sie etwas Besseres ist, was sie von einer Menge interessanter Tätigkeiten ausschließt, wie zum Beispiel mit Argusaugen zu beobachten, wer noch das Designerkleid vom letzten Jahr trägt in der Hoffnung, dass es keinem auffällt, oder wer den Ring mit dem größten Aquamarin am Finger hat, oder wer sich beim angesagtesten Trainer massieren lässt. Sie hat mit all dem nichts am Hut, und das wissen sie und hassen sie dafür. Valentina reist herum, hat einen richtigen Beruf, schert sich einen Dreck um niemanden und tut nur, was sie will. Sie ist frei.«
»Nun«, meinte der Maresciallo vorsichtig, »vielleicht ist es gerade diese Freiheit in Liebesdingen, die sie ihr übelnehmen.«
»Aber glauben Sie denn, die anderen wären anders? Nur dass sie es nicht an die große Glocke hängen. Sie tun es heimlich, sie betrügen sich gegenseitig mit ihren Ehemännern, wichtig ist nur, dass es niemand erfährt. Deshalb eckt Valentina an, weil sie die Heuchelei an den Pranger stellt.«
Beim Reden war der Architekt aufgestanden und bis hinunter zum Ufer gegangen. Zerstreut kickte er die weißen Kiesel vorsich her, mit in den Taschen vergrabenen Händen und düsterer Miene. Santomauro blieb auf den Stufen neben dem Schuppen stehen, wo er schon einmal gesessen und gewartet hatte, bis De Giorgio und Regina ihre Unterhaltung beendeten.
Es schien, dass ihre Gespräche immer hier an diesem kleinen Strand stattfanden; der Maresciallo konnte sich nicht erinnern, je in dem Haus des Mannes gewesen zu sein. Beide Male hatte die Zugehfrau, eben die bekannte Amavila mit ihrem absurden Halstüchlein, ihn hinab zum privaten Anleger geschickt. Dieses Mal war der Architekt vom Meer her gekommen, auf einem Boot, das Santomauro absolut nicht als Laser erkannt, aber gezwungenermaßen so getan hatte, als der Besitzer ihm stolz alle Vorteile und Eigenschaften pries.
De Giorgio verbrachte viel Zeit auf dem Meer, wie seine Rundumbräunung und sein athletischer Körper bezeugten. Er hatte kein Gramm zu viel am Leib, und Santomauro, der gerne gut aß und erst kürzlich gemerkt hatte, dass er allmählich auf seinen Bauchumfang achten musste, betrachtete ihn neidvoll. Ihre vorherigen Begegnungen im Dorf bei der einen oder anderen Schachpartie hatten vorrangig zu Beginn und zum Ende des Sommers
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