Eine Leiche zu Ferragosto
Menopause«, meinte Regina nach einigen Minuten und lächelte ihn an. Er fand, dass sie zu schnell wieder die Alte geworden war, und bereute es, ihre momentane Schwäche nicht ausgenutzt zu haben.
»Meine Nichte Valentina kann sich durchaus selbst verteidigen und Ihnen sicher alles erklären. Meine einzige Entschuldigung ist, dass ich sie sehr gern habe.«
»Wissen Sie, wo wir sie finden können?«
»Nein, tut mir leid«, antwortete sie schnell.
»Haben Sie sie gesehen, als sie unlängst in der Gegend war?«
»Nein, aber das ist auch kein Wunder, Valentina ist ganz und gar ungebunden und ändert andauernd ihre Pläne. Sie kann von einem auf den anderen Moment auftauchen oder verschwinden.«
»Wenn Sie sie sehen, sagen Sie ihr bitte, dass wir sie suchen. Haben Sie zufällig ein Foto von ihr?«
Regina sah ihm einen Moment lang fest in die Augen.
»Valentina hat mit dieser Geschichte nichts zu tun. Sie machen einen Fehler, wenn Sie Ihre Zeit mit ihr vergeuden. Jetzt hole ich Ihnen das Bild.«
Sie drehte sich brüsk um und ging ins Haus. Als sie lächelnd und gefasst mit einem Album unter dem Arm zurückkam, wusste er, dass er seine Chance verpasst hatte. Aus reiner Neugier fragte er, welchen Bau sie dort oben am Ende der Kaktusallee plane.
Sie sah ihn mit ihrem gekünstelten, wie aufgeklebten Lächeln an und erwiderte ausweichend: »Ach, ich weiß noch nicht, vielleicht einen Parkplatz für die kleinen Villen, die ich vermiete, mit Überdachung, in den nächsten Tagen soll die Zementfläche gegossen werden. Warum fragen Sie? Es ist weit genug von der Rocca entfernt. Soweit ich weiß, verstoße ich damit gegen keinerlei Auflagen.«
Er musste ihr beipflichten, und als er endlich ging, hatte ermehr denn je das Gefühl, zum Narren gehalten worden zu sein.
»Und das Foto?« Pedros Augen glitzerten und Santomauro reichte ihm fast bedauernd das Album, das Regina ihm mitgegeben hatte. Er hatte es während der Autofahrt überflogen, und nun sah er es sich mit dem Freund noch einmal an.
Valentina Forlenza war die uneingeschränkte Protagonistin aller Fotos des schmalen Bandes, insgesamt rund ein Dutzend. Es waren die Erinnerungen einer anhänglichen, wenn auch nicht besonders ausdauernden Tante, kleine Sommerblicke auf ein liebevoll begleitetes Leben. Valentina als Säugling, rund und weich wie die meisten. Valentina als Kleinkind, Unmengen schwarze Löckchen und kecker Blick. Valentina als Teenager, lange Beine, lange Haare und sonst nicht viel zu sehen. Eine Großaufnahme in kontrastreichem Schwarzweiß: eine wunderschöne Valentina, Anfang zwanzig, auf einem Bett liegend, der mutmaßlich nackte Körper verschwamm im Hintergrund.
»Das ist alles?«, fragte Gnarra enttäuscht.
»Das ist alles«, erwiderte Santomauro. »Sie sagt, sie hat nur die aufbewahrt, die ihr gefielen.«
»Schöne Frau. Schade, dass man den Rest nicht sieht.«
»Hübsch«, gab Santomauro mundfaul zu. Doch innerlich spürte er das wilde, unerklärliche Nagen von etwas, das er nicht als Eifersucht erkannte.
Aus sicherer Entfernung war er ihnen bis zum kleinen Strand gefolgt. Manchmal warf einer von ihnen wie nebenbei einen Stein nach ihm.
Nicht um ihn zu treffen, nur um ihn daran zu erinnern, dass er nicht dazugehörte, dass er ein Außenseiter war. Doch er war erst sieben Jahre alt, es waren seine ersten Sommerferien an diesem Ort, und er war so einsam, dass ihn auch das Risiko, einen Stein an den Kopf zu kriegen, nicht abschrecken konnte.
Also folgte er ihnen nach dem Mittagessen den Trampelpfadentlang durch Gebüsch und Schilf und versuchte dabei, den ab und an gezielteren Würfen auszuweichen.
Sie waren zu fünft, alle etwa in seinem Alter, seit Ewigkeiten befreundet, gebräunt und mit Salzspuren auf den kindlichen Knöcheln und Muskeln. Er war dick, noch bleich und trug eine Brille, die er aber heute in der Tasche versteckt hatte. Er hatte es satt, ihnen aus der Ferne nachzuspionieren. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als mitspielen zu dürfen, zu ihrer Bande zu gehören.
Er setzte sich an das andere, ihnen gegenüberliegende Ende des kleinen Strandes und beobachtete sie. Die Kinder waren eifrig damit beschäftigt, Sand hin und her zu schaufeln, sie ebneten ein Stück Strand ein und türmten Steine auf. Sie wollten eine Burg bauen, alberten herum, spritzten sich gegenseitig nass und wetteiferten darum, wer den höchsten Turm bauen konnte.
Marco erkannte, dass dies seine Chance war. Sein Vater hatte ihm gezeigt, wie man
Weitere Kostenlose Bücher