Eine Leiche zu Ferragosto
stattgefunden, wenn Pioppica Sotto noch nicht von Urlaubern überschwemmt war, und Santomauro erinnerte sich noch, dass er ihn ein paar Mal auf den Straßen und Plätzen von Pioppica Sopra getroffen hatte, das natürlich bei weitem nicht so überfüllt war wie unten die Strandpromenade.
Der Maresciallo fragte sich nun zum ersten Mal, ob das Boot nicht zwangsläufig zum Exil werden musste für einen Mann, der es nicht mehr aushielt, sich in einer Gesellschaft sehen zu lassen, die mit dem Finger auf ihn zeigte. Auch für ihn galt die Frage, die er der Polignani gestellt hatte. Was hielt ihn noch hier? Warum ging er nicht fort?
»Das hier ist mein Zufluchtsort.« Vielleicht konnte De Giorgio Gedanken lesen. »Hier verbringe ich mehr Zeit als zu Hause. Manchmal übernachte ich auch am Strand. Ich nehme mir eine Flasche Wein mit, eine Luftmatratze und ein Kissen, außerdem ein Laken, für den Fall, dass ich mitten in der Nacht mit steifenRheumaknochen aufwache.« Jetzt lächelte er, seine schlechte Laune schien verflogen, und er wies mit einer Hand auf den Schuppen. »Ich habe auch versucht, dort drinnen zu schlafen, aber da wird es zu warm.«
»Was ist das?«, fragte Santomauro, nur um etwas zu sagen. Er interessierte sich nicht im Geringsten für Boote, obwohl er das Meer liebte.
»Es ist ein Bootsschuppen, fast jeder Zugang hat einen, ich meinen, Pippo Mazzoleni seinen – ich glaube sogar, er hat noch einen zweiten Schuppen für Fahrräder –, bei Gerry Buonocore steht das Boot drinnen, Valentina nutzt ihn für ihre Surfbretter, sie ist eine hervorragende Surferin, sogar Sergio Casaburi besitzt einen, obwohl er wahrscheinlich nur Gartengeräte darin aufbewahrt.«
»Warum das Vorhängeschloss?«
»Weil die Jugendlichen sonst dort zum Knutschen hineingehen. Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, ich habe das selbst früher gemacht, aber es ist lästig, am nächsten Tag die Bierdosen oder Präser aufzusammeln. Deshalb schließe ich ihn lieber ab, ich glaube, die anderen machen es genauso. Ich bewahre dort auch Handtücher und Badesachen zum Wechseln auf, und Zigaretten. Reine Bequemlichkeit.«
»Sie haben hier alle ein Boot, oder?« Plötzlich war Santomauro interessiert.
»Sicher. Ich, Pippo, Gerry, dieser Idiot Sangiacomo, Casaburi, auch Notar Polignani, obwohl Bebè es nicht benutzt, glaube ich. Auch Gaias Vater und ich weiß nicht wer noch alles; wer hier nicht wenigstens ein Schlauchboot besitzt, gilt als armer Teufel, also kaufen sich alle ein Boot und lassen es im Zweifelsfall verrotten, weil sie nicht damit umgehen können.«
»Und gesetzt den Fall, dass jemand irgendeinen der Privatzugänge von Sigmalea oder Krishnamurti zum Strand hinuntergeht, findet er hier mit großer Wahrscheinlichkeit ein vertäutes Boot wie das Ihre«, er zeigte auf den Laser, der träge auf dem Wasser dümpelte, »oder schlimmstenfalls ein Schlauchboot. Ist das so?«
»Klar, genauso ist das. Aber warum? Woran denken Sie?«
»Die Schlüssel für den Anlasser bleiben immer an Bord, nicht wahr?«
»Meins ist kein Motorboot, aber bei anderen Modellen, klar, da bleiben sie an Bord. Sie denken, dass der Mörder sich das zunutze gemacht hat, stimmt’s?«
Santomauro nickte. Elena hatte ihren letzten Ausflug aufs Meer im Boot eines Freundes oder Bekannten gemacht, Richtung Algenhaufen, der ihr vorläufiges Grab werden sollte. Ihr Mörder war auf Nummer sicher gegangen und hatte, da er wusste, dass er viele Boote zur Auswahl hatte, nicht riskiert, sein eigenes zu benutzen. Oder vielleicht, dachte der Maresciallo, hatte der Mörder einfach das nächstgelegene Boot genommen, in der Gewissheit, dass niemand es in diesen Tagen benutzen würde.
»Darf ich mal bei Ihnen telefonieren?«, fragte er und hatte es plötzlich sehr eilig.
Drei Stunden später stieg Santomauro eine andere Treppe hinauf, die vom privaten Anleger der Mazzolenis kam. Das Boot war beschlagnahmt worden. Der völlig aufgelöste Pippo hatte keinerlei Einwände, sondern gab im Gegenteil zu verstehen, dass ihm schon derselbe Verdacht gekommen war. Tatsächlich hatte er das Boot nicht benutzt, seit er wusste, dass er Witwer war, doch in den Tagen zuvor war er nach seiner Ankunft in Pioppica ein paar Mal kurz hinausgefahren, weshalb die Spurensicherung nicht ganz sicher war, ob sie eindeutige Hinweise dafür finden würde, dass das Boot für den Leichentransport benutzt worden war. Dasselbe galt für den zweiten Schuppen, in dem sie Spuren gefunden hatten, die darauf
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