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Eine Leiche zu Ferragosto

Eine Leiche zu Ferragosto

Titel: Eine Leiche zu Ferragosto Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Fiammetta Lama
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Liegestühle einpackten, ihre Kinder trockenrubbelten und die Handtücher ausschüttelten. Sie gingen, wenn er kam.
    Manchmal traf er den einen oder anderen einsamen Spaziergänger mit Hund, und er überlegte, dass es dem wohl wie ihm selbst erging, der Hund erfüllte die gleiche Aufgabe wie Socken oder Aftershave, während zu Hause die Ehefrau mürrisch oder einfach gewohnheitsmäßig das Abendessen vorbereitete. Der Hund trottete vor ihm her, und der Unbekannte lief mit schlurfenden Schritten über den Strand und zögerte seine Heimkehr hinaus. Lillo setzte sich in den Sand, manchmal streckte er sichsogar auf ihm aus. Aus seiner Kindheit hatte er sich diese vollkommene Gleichgültigkeit gegenüber dem Zustand seiner Kleidung bewahrt. Es war ihm egal, wenn er mit Sand, Schlamm oder all den anderen Schmodderigkeiten bedeckt war, in denen Kinder sich so gerne wälzen. Das Meer bekam allmählich den quecksilbrigen Glanz, der dem Sonnenuntergang vorausgeht, der Hund führte sein Herrchen zu der kleinen Treppe und zum Auto zurück, auf das der Mann müde zuging.
    Lillo überlegte, dass der einzige Unterschied zwischen ihnen war, dass er nicht verheiratet war. Die Berufung hatte ihn vor der Ödnis bewahrt, auch nach dem Ende der Leidenschaft weiter mit einer Frau zusammenleben zu müssen, und manchmal fragte er sich, gleichwohl wissend, dass sich sein Leben nicht allein darauf reduzieren ließ, inwieweit bei dieser Wahl seine Feigheit eine Rolle gespielt hatte.
    Im November wurde er siebenundvierzig, und ähnliche Gedanken trieben ihn schon eine ganze Weile um, vielleicht weil sein Leben zuvor äußerst turbulent gewesen war, verschiedene Stellen, Umzüge, Reisen, Begegnungen, aber stets im Kontakt mit jungen Menschen. Seit einigen Jahren jedoch hatte man ihn in einer reichen Gemeinde Neapels geparkt, wo er Spenden für die Projekte sammelte, welche die Jesuiten in den ärmsten Ländern betrieben, und wo er die wackelnde Hierarchie eines Konvikts stärken sollten, das sich allzu sehr den Zerstreuungen des Stadtlebens hingegeben hatte.
    Lillo Lucarello war der richtige Mann, um Dinge wieder zurechtzurücken, und wie immer war er seiner Aufgabe mit Einsatz und Leidenschaft nachgekommen. Im Hinterhalt lauerte jedoch die Langeweile, zusammen mit der Nähe zu den reichen und schönen Frauen seines Alters, übertrieben geschminkt und schmuckbehängt, übertrieben jugendlich und übertrieben ihren jähen und dramatischen Stimmungsschwankungen unterworfen. Diese auszunutzen war sein Beruf, und er machte es gut, doch manchmal trauerte er der Welt der Jugendgruppen hinterher, wo die Frische der Heranwachsenden noch nicht gänzlich unter Papas Geld erstickt war. Als Alternative hatte er schon zwei Anfragenauf eine Versetzung nach Brasilien, Albanien oder sonstwohin gestellt, wo Bedarf bestand, doch hatte man ihm mitgeteilt, dass seine Mitarbeit dort, wo er war, sehr wertvoll war und er daher noch ein wenig bleiben solle. Das vierte Gelöbnis der Jesuiten war der Gehorsam, also hatte er gehorcht, nicht aber sein Geist, und die lästigen Gedanken quälten ihn immer häufiger.
    Santomauro sah ihn, wie er mit den Händen in den Taschen und trüber Miene am Strand entlangging. Er hatte es nicht auf ein Treffen angelegt, doch als er ihn dort am Meer erblickte, beschloss er, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, nachdem er sich gerade das Abendessen in Form einer großzügigen Portion ofenfrischer parmigiana, zweier cilentanischer mit Honig-Ricotta-Creme gefüllter cannoli und einer Flasche Donna Luna besorgt hatte. Jetzt gingen sie nebeneinander her, der Maresciallo etwas behindert durch das dicke Essenspaket, das er mit sich herumschleppte.
    Zum ersten Mal war er mit dem Jesuiten allein, und er versuchte sich seine keineswegs ausschließlich berufliche Neugier diesem Mann gegenüber nicht anmerken zu lassen. Sie waren ungefähr gleichen Alters, Pater Lorenzo wirkte körperlich topfit, ein gutaussehender, dunkelhaariger, gebräunter Mann, dessen Verhalten oder Äußeres in nichts darauf hindeutete, dass er sein Leben Gott geweiht hatte. Santomauro stand dem Mysterium des Glaubens respektvoll, aber skeptisch gegenüber, und er fragte sich, wie ein noch junger Mann den vielfachen weltlichen Verlockungen widerstehen konnte. Andererseits hätte er sich bei genauerer Betrachtung eingestehen müssen, dass auch sein Leben diesbezüglich seit einiger Zeit asketisch und frei von größeren Passionen verlief. Weder Liebe noch Sex noch Macht oder

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