Eine Leiche zu Ferragosto
Stimme klang triumphierend. »Sangiacomo war allein und konnte ermorden, wen er wollte! Er kam nämlich am zwanzigsten Juli nach Pioppica und rief sie erst viele Tage später an, ob sie nachkommen wolle. Es klang ziemlich dringend, und so ist sie sofort zu ihm gefahren, dann haben sie sich die ganze Zeit im Bett vergnügt, aber Elena Mazzoleni lag schon unten am Strand. Als wir sie vernommen haben, war Cristina erst eine Woche da. Dieser eingebildete Mistkerl hat uns angelogen, verstehst du, Simone? Los, den schnappen wir uns!«
Santomauro verstand nun, aber er wusste auch, dass ein undichtes Alibi nicht reichte, um einen Verdächtigen festzunehmen. Der Journalist konnte aus tausend Gründen gelogen haben. Besser also die Neuigkeit im Hinterkopf behalten und bei der passenden Gelegenheit hervorziehen.
Natürlich stieg Sangiacomo dadurch um einige Stufen in der Liste der Verdächtigen auf, aber das musste man ihm nicht direkt auf die Nase binden. Mühsam überzeugte er Gnarra davon, dass es besser war, zu warten, und gratulierte ihm zu seinem guten Riecher.
»Also gut, dann warten wir halt, aber den habe ich jetzt auf dem Schirm. Und was hast du herausgefunden?«
Der Maresciallo unterrichtete ihn und Cozzone über die Neuigkeiten, hob sich die wichtigste Nachricht aber bis zum Schluss auf.
»Samir hat irgendwie von Elenas Tod erfahren und Angst bekommen.«
»Woher weißt du das?«
»Sieh dir die Fakten an. Er hat einen Zug am helllichten Tag genommen, nicht wie einer, der sich verstecken will, dann hat er, wahrscheinlich noch im Zug, von dem Mord erfahren. Er kannte sie sehr gut, wenn wir Bebè Polignanis Aussage Glauben schenken dürfen. Wahrscheinlich ahnte er, wer der Mörder war. Mebazi sagt, er sei aufgewühlt gewesen, als er aus dem Zug stieg, habe ihm gegenüber aber nur behauptet, er sei krank, und sich in sein Zimmer eingeschlossen. Den ganzen Tag sei er zu Hause geblieben, einmal habe er telefoniert, ehe er dann in der Nacht weggegangen sei. Um seinen Mörder zu treffen, wie wir jetzt wissen. Der Grund dafür war sicher der Mord an Elena. Er wusste etwas, er hatte Angst, aber er hat mit der falschen Person darüber gesprochen.«
»Aber was soll er denn gewusst haben?«, wandte Cozzone zu Recht ein.
»Das frage ich mich auch«, erwiderte Santomauro. Dann bat er den Gefreiten rundheraus, jemanden loszuschicken, der ihm ein Kilo Äpfel, ein Kilo Bananen und einen Kopf Salat besorgenkönne. Cozzone gehorchte perplex, denn noch nie hatte der Maresciallo bisher seine ranghöhere Stellung ausgenutzt.
Der Nachmittag war voll. Santomauro verließ leichtfüßig mit seiner Vitamintüte die Kaserne. Zwischen unschuldigem Obst und Gemüse verbarg sich sein Geheimnis. Er legte das Paket in den Kofferraum und ließ den Motor an. Erste Station: Samir.
Normalerweise vermied Santomauro es, Obduktionen beizuwohnen, doch für Samir machte er eine Ausnahme.
Während er nun hier am Marmortisch stand, wo de Collis gerade seine Arbeit beendete, bereute er, dass er seinem Impuls gefolgt war. Nicht dass er einen schwachen Magen hätte, im Gegenteil; einzig der Geruch war ihm etwas unangenehm, doch der Professore hatte ihm in kameradschaftlich brüsker Geste eine Dose Wick-Bonbons gereicht, die er sich tief einatmend unter die Nase hielt. Es war auch nicht der Anblick der nackten, aufgeschlitzten Leiche, die ihn verstörte. Er hatte schon viele Leichen in schlimmerem Zustand gesehen. Samir glich nun, während de Collis die Schlitze in Form eines Ypsilons wieder zunähte, mehr und mehr einer schönen schwarzen Marmorstatue, kalt, reglos und unbestechlich.
Nein, was ihn wirklich störte, so richtig störte, war das Auge.
Samirs linkes Auge, das nicht einmal zur Hälfte geöffnet war, gerade so weit, dass man ein wenig Weiß sah und die Pupille erahnen konnte. Von diesem Auge fühlte Santomauro sich beobachtet, wegen ihm wanderte er um den Tisch herum und stellte banale Fragen, die de Collis mit höflicher Geduld beantwortete, hinter der sich, so schien es dem Maresciallo, eine gewisse amüsierte Verachtung verbarg. Er verfluchte sich, konnte aber nichts dagegen tun und fuhr also fort, Samirs anklagendem Blick auszuweichen und idiotische Fragen zu stellen, damit der Pathologe seine Not nicht bemerkte.
»Ich kann nicht mehr sagen als das, was Sie bereits wissen, Maresciallo. Wir haben es mit der Leiche eines kerngesunden jungen Mannes zu tun, der an einem Schädelbasisbruch mitdaraus resultierender Hirnblutung
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