Eine Leiche zu Ferragosto
Reihen vor sich in der kleinen, schlichten Kapelle. Dort stand er, elegant und attraktiv wie immer, das Gesicht nur wenig gezeichnet, die Hände gefaltet. Er trug keine Sonnenbrille, ein rüpelhafter Brauch, um dahinter einen hypothetischen Schmerz zu verstecken, und hielt den Blick gesenkt. Er hatte sich kein einziges Mal umgedreht, nicht einmal um zu schauen, wer da war und wer nicht. Aber natürlich waren alle da, manche aus Neugier, manche aus Tratschsucht, manche, um zwischen den anderen Trauergästen den Mörder ausfindig zu machen. Regina seufzte und öffnete die Lippen zu einem mechanischen Gebet.
»Ich glaube an den einen Herrn Jesus Christus, der Herr ist und Leben schenkt …« Aber glaube ich das wirklich? Habe ich es je geglaubt? Oder war es nicht vielmehr eine willkommene Bühne für mich? Mit weit geöffneten Armen vor dem Altar stehend, fühlte sich Pater Lillo nackt und den Blicken ausgeliefert, wie es ihm noch nie zuvor gegenüber einer Gemeinde passiert war. Zum ersten Mal erfüllte ihn seine Rolle nicht mit Freude, aber Pippo Mazzoleni hatte darauf bestanden, und er hatte dem Witwer seinen ausdrücklichen Wunsch nicht abschlagen wollen, obgleich er, als Pippo meinte, es wäre sicherlich Elenas Wille gewesen, fast laut aufgelacht hätte, ein unfreiwilliges, hysterisches Lachen, das er mühsam in einem vorgetäuschten Hustenanfallerstickt hatte. Es war wirklich ein makabrer Scherz zu behaupten, Elena hätte gewollt, dass er ihre Totenmesse zelebrierte. Elena, die ihn fertiggemacht hatte. Nur so zum Spaß.
Olimpia schwitzte. Sie trug das neue schwarze Ferragamo-Kostüm, das sie für diese Gelegenheit gekauft hatte. Sie war dafür extra nach Neapel gereist und stolzerfüllt mit ihrem Neuerwerb zurückgekehrt, doch jetzt schwitzte sie unter dem dicken Stoff und verfluchte sich, während sie bemüht war, sich nicht umzudrehen. In der letzten Reihe stand Bebè, frisch, elegant und graziös wie immer, in einer schwarzen Bluse und einem Wickelrock derselben Farbe mit einer einzigen, diskret in den Falten verborgenen roten Blüte.
Was Olimpia nicht wusste, war, dass die Wahl der Kleidung ihre Freundin eine Stunde vor dem Spiegel gekostet hatte, genauso wie der weiche, im Nacken zusammengefasste Haarknoten das Ergebnis mühevoller Versuche war. Doch selbst wenn sie es gewusst hätte, wäre es ihr egal gewesen. Nur das Ergebnis zählte, das, was die Leute sahen. Und wenn die Leute sie, Olimpia, anschauten, sahen sie eine plumpe, übergewichtige, in ein viel zu elegantes und zu warmes Kostüm gezwängte Frau. Sie bewegte die klebrig verschwitzten Beine in den schwarzen Strümpfen und versuchte sich auf Lillo am Altar zu konzentrieren, der schön war wie immer. Ein unfreiwilliges Kitzeln kribbelte sie zwischen den Schenkeln. Sie presste sie zusammen, errötete und sah sich verstohlen um, dann schloss sie mit Büßermiene die Augen.
Bebè hatte ein kurzes, aber aufrichtiges und inbrünstiges Gebet für die Seele der armen Elena gesprochen und hing nun ihren eigenen Gedanken nach. Sollte sie Roccos Einladung annehmen oder nicht? Und wenn ja, wie weit würde sie ihn gehen lassen? Immer vorausgesetzt, dass sie die Situation in der Hand hätte. Letztlich war er nur ein Metzgergeselle, kein ungarischer Graf. Vielleicht war da ein Treffen auf neutralem Boden besser, an einem Ort im Freien. Und wenn sie jemanden trafen, densie kannte? Was sollte sie da sagen: Das ist mein Neffe, der am DAMS Kunst studiert und mich gerade besucht? Innerlich kichernd schüttelte sie den Kopf, dann fiel ihr ein, wo sie war, und sie zwang sich zur Konzentration, während Lillo mit einfachen und aufrichtigen Worten Elenas Leben nachzeichnete, so dass man fast vergessen konnte, was für eine miese Schlampe sie gewesen war.
Architekt De Giorgio faltete die Hände hinter dem Rücken. Der größte Fehler war es gewesen, zur Beerdigung zu kommen, doch er hatte es für Pippo getan. Immerhin waren sie in der Vergangenheit einander sehr verbunden gewesen, und wer weiß, jetzt wo die Hexe nicht mehr lebte …
Aloshi Buonocore schien ganz gefesselt vom Ritus. Gerry hoffte, dass sie nicht auf die Idee käme, zu konvertieren, und dann eine vorschriftsmäßige katholische Trauung verlangte. Sie hatte sich über die Bräuche informiert, offensichtlich bei irgendeiner örtlichen Betschwester, und nun trug sie als einzige der anwesenden Frauen einen schwarzen Schleier und hielt einen Rosenkranz in den Fingern. Die Messe über
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