Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
zertrümmertem Schädel. Der Pathologe im Krankenhaus gab als Todesursache den Berg an. In der Nacht einen falschen Schritt gemacht und gestürzt, oder mit den Skiern in der Dunkelheit gegen einen Felsbrocken gerast. Keiner konnte es genau bestimmen, sie wussten nur, dass der Berg ein neues Todesopfer gefordert hatte.
Diese kalten Winternächte am Berg waren unheimlich, gespenstisch. Deshalb sprach von Simons Gästen auch kaum jemand ein Wort, als die Gruppe wie in einem Kessel, umrundet von einer schwarzen Wand, die kein Ende kannte, durch den Schnee zur Abfahrtsstrecke stapfte. In den Händen trugen sie leuchtende Fackeln, ein paar hatten zusätzlich noch ihre Taschenlampen dabei. Simon, Kalle, das Model, Lutz Terfoorth und drei weitere Gäste standen auf Skiern, alle anderen gingen zu Fuß. Auch Simon trug eine Fackel in der Hand. Er ging wie immer allen voran, nicht nur, um ihnen den Weg zu zeigen, sondern um die Gruppe zusammenzuhalten, denn am Ende übernahm Kalle das Schlusslicht. So konnte keiner verschwinden. Obwohl sich Simon inzwischen nicht mehr ganz so sicher war, ob er Kalle wirklich trauen konnte. Immer wieder schlich sich der Zweifel in seine Gedanken, und er überlegte, wann und wie Kalle seine Opfer getötet haben konnte. Und vor allem, warum. Aber er kam zu keinem Ergebnis. Also blieb ihm nichts weiter übrig, als den Zweifel einfach zu verdrängen, sobald er sich in seinem Hirn einnisten wollte, und weiterhin auf Kalle zu bauen. Jeder ist unschuldig, solange seine Schuld nicht bewiesen ist. Dieses Motto galt nicht nur in der Justiz, sondern musste auch in Simons Falle herhalten. Außerdem könnte jeder sonst der Killer sein, auch Mona Winter oder Martin Sarotzki oder Andrea Krist. Bei diesem Gedanken schüttelte Simon den Kopf. Das war unmöglich. Das Model hätte niemals die Kraft gehabt, es mit Lukas aufzunehmen und ihn zum Abgrund zu schleifen. Aber trotzdem, ganz gestrichen von seiner Liste der Verdächtigen war niemand, auch sie nicht. Und vor allem nicht August Huber.
Endlich waren sie am Hang angekommen. Simon ordnete seine Gäste so an, dass sie wie ein Spalier rechts und links von der Abfahrtsstrecke standen und den Skifahrern den Weg leuchteten. Ungefähr fünfhundert Meter zog sich die Abfahrt den Hang hinunter, eine weite Strecke in tiefdunkler Nacht. Das bedeutete, dass bei zwanzig Gästen alle fünfzig Meter ein menschliches Tor mit Fackeln stand. Wenn er sie versetzt stellte, hatte er einen Abstand von fünfundzwanzig Metern von einer Fackel zur anderen. Das war in Ordnung. Obwohl er noch immer nicht viel von der Strecke sehen konnte. Aber er trug ja ebenfalls eine Fackel, und die anderen nach ihm konnten in seiner Spur fahren.
Simon fuhr neben das menschliche Spalier und wollte gerade mit seinen sechs Mitstreitern nach oben steigen, als er hinter sich die Geräusche eines Handgemenges hörte. Sofort drehte er sich um und sah nach, was los war. Als er bemerkte, dass Lutz Terfoorth und Martin Sarotzki wieder aneinander geraten waren, machte er eilig kehrt, um die Streithähne auseinander zu bringen, was jedoch nicht so einfach war. Denn Martin Sarotzki hatte Lutz Terfoorth bei seinem Aufstieg aufgehalten und stand nun mit seinen fellbesetzten Designerstiefeln auf Terfoorths Skiern, um ihn am Weiterfahren zu hindern.
»Ich lasse Sie nicht mit meiner Freundin die Abfahrt machen«, zischte er Lutz Terfoorth zu.
»Wenn Sie Skifahren könnten, müsste sie nicht mit anderen fahren«, konterte Terfoorth.
»Wenn Sie selbst Mann genug wären, müssten Sie nicht die Freundinnen anderer Männer belästigen.«
Lutz Terfoorth wollte darauf etwas erwidern, doch er schloss den Mund schnell wieder, als er seine Frau sah, die von der anderen Seite des Spaliers zu ihm gelaufen kam.
»Was ist denn hier los? Liebling, was hat er nur?«
Lutz Terfoorth schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Er kann nicht Skifahren und denkt, dass alle anderen, die es können, seine Männlichkeit in Gefahr bringen oder so. Geh wieder auf deine Stelle, Schatz. Ich kläre das schon.«
Martin Sarotzki zischte wieder zu Lutz Terfoorth. »So leicht ist das nicht, Dr. Freud.«
Silvia Terfoorth ging zwar tatsächlich zurück, doch Martin Sarotzki musste ihr noch etwas mit auf den Weg geben. »Ihr Mann ist ein Ehebrecher, ich habe ihn gesehen. Er hat meine Freundin angemacht.«
Silvia Terfoorth blieb stehen und lächelte eisig. »Ich glaube Ihnen kein Wort. Das würde er niemals tun. Du hast es nicht getan, nicht wahr,
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