Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
»Oh nein« oder »Das gibt es nicht« zu hören war.
Simon wandte sich an seinen Koch. »Was verbreitest du denn hier für Märchen, was soll das?«
»Das ist meine Meinung dazu, wie du das Hotel leitest. Das ist alles.«
Kalle wandte sich ab. Simon hielt ihn fest. »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Kalle.«
»Doch, ist es.«
»Gut, wenn du nicht zufrieden bist mit mir und meiner Art, das Hotel zu leiten, reden wir später darüber. Unter vier Augen. Alles klar?«
»Alles klar.« Kalle wandte sich jetzt ab und stieg den Berg hinauf.
Die Gäste sahen Simon fragend an. Er stellte sich vor sie, räusperte sich und rief mit fester Stimme: »Liebe Gäste, Sie wurden gerade Zeugen eines unschönen Gespräches zwischen mir und meinem Angestellten. Ich kann Ihnen versichern, dass das, was er gesagt hat, nicht der Wahrheit entspricht. Wir haben nur frisches Fleisch und bestes Gemüse. Wir verwenden nichts Verdorbenes oder Essen vom Vortag. Ich kann Ihnen gern den Händler nennen, der uns beliefert, das ist alles einwandfrei nachvollziehbar.«
Ein paar Gäste seufzten erleichtert. Nur Martin Sarotzki stellte sich vor Simon. »Die Namen der Händler hätte ich gern.«
»Bekommen Sie.«
Lutz Terfoorth stimmte Martin Sarotzki zu. »Das werden wir überprüfen.« Wie durch ein Wunder waren die beiden auf einmal einer Meinung. Simon war erleichtert, auch wenn es ihm lieber gewesen wäre, wenn diese Eintracht auf eine andere Art und Weise hervorgerufen worden wäre.
»Das können Sie gerne machen«, erwiderte er mit fester Stimme.
»Gut.«
Martin Sarotzki schien seine Auseinandersetzung mit Terfoorth tatsächlich bereits vergessen zu haben. Er spekulierte jetzt wild mit Cleo Schäfer, was sich wirklich im Hotel abspielte. Simon wollte gar nicht hören, welche Vermutungen die beiden um schimmlige Schinken und faulige Kartoffeln anstellten. Er machte sich zurück auf den Weg den Hang hinauf. Terfoorth und die anderen folgten ihm mit den Skiern an den Füßen in die Finsternis.
Schließlich standen Simon und seine fünf Mitstreiter am oberen Ende des Hangs. Dahinter lag in pechschwarzer Dunkelheit der Berg. Wie eine unüberwindbare Mauer lehnte das Massiv hinter den kleinen Menschen, die mit ihren Fackeln versuchten, die Welt zu erleuchten.
Es gelang ihnen nicht sonderlich gut. Simons Fackel trug ihren flackernden Schein nur wenige Meter weit, bis der letzte Gast am Ende der Kette den Schein mit seiner Fackel auffing und wieder ein paar Meter weiter brachte. Das gelbe Licht huschte über den weißen Schnee, jede Vertiefung wirkte im Schatten wie ein riesiges schwarzes Loch, und jede Erhöhung warf dunkle, riesige Schattengebilde über die Oberfläche und auch über die Gesichter der Anwesenden. Doch alles, was außerhalb seiner Reichweite lag, blieb in geheimnisvolle Finsternis gehüllt.
Simons unangenehmes Gefühl, das er schon den ganzen Abend verspürte, flaute in dieser Atmosphäre nicht unbedingt ab. Hier wäre der perfekte Ort für weitere Gräueltaten. Wenn wirklich ein Mörder unter den Anwesenden weilte, dann würde er sich hier richtig wohl fühlen. Und auch Huber könnte hier sehr gut zuschlagen, wenn ihm daran gelegen war, die Zahl von Simons Gästen drastisch zu reduzieren. Von hier aus konnte Simon kaum die Gäste ausmachen, die am unteren Ende des Hangs standen. Er sah lediglich ein paar leuchtende Punkte in der Dunkelheit, aber mehr nicht.
Die ideale Gelegenheit für einen Mörder.
Auf einmal bereute Simon, dass er seinen Gästen nicht gesagt hatte, was wirklich passiert war. Sie waren völlig ahnungslos, dass sich unter ihnen ein Mörder befand, und dass Wupke tatsächlich umgebracht worden war. Sie glaubten, dass das alles zu einem Spiel gehörte, und wenn der Killer jetzt wieder zuschlagen wollte, vertrauten sie ihm vielleicht und liefen unwissend in die Falle. Doch auf der anderen Seite konnte er es ihnen nicht sagen, denn dann waren sie genauso in Gefahr. Wenn der Mörder unter ihnen weilte, würde er dann womöglich noch leichteres Spiel haben, denn er könnte das Chaos ausnutzen und weiter morden oder unentdeckt untertauchen. Sie konnten nicht fliehen und die Polizei war nicht zu erreichen. Also, was blieb Simon übrig, als einfach so zu tun, als wäre nichts geschehen, die Gäste unter Kontrolle zu behalten und versuchen, den Täter allein und auf eigene Faust zu stellen.
Plötzlich hörte Simon die Geräusche von Skiern im Schnee. Er sah nach links, in die Richtung, aus der der Klang gekommen war, doch
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