Eine Leiche zum Nachtisch (German Edition)
er konnte nichts erkennen. Alles war dunkel. Angestrengt lauschte er in die Nacht, doch außer dem Wehen des Windes war nichts weiter zu hören.
Langsam ließ er den Blick über den nachtschwarzen Hang schweifen. Hinter ihm ertönten ungeduldige Kommentare seiner Skifahrer, doch er ließ sich nicht beirren. Unwillkürlich hielt sein Blick inne. Da war ein Schatten, der sich bewegte. Hinter dem Hügel huschte etwas den Berg hinunter.
Simons Nackenhaare stellten sich auf. Das war unmöglich! Es konnte jetzt unmöglich noch jemand unterwegs sein. Nur ein Wahnsinniger. Oder ein Mörder.
»Fahren Sie jetzt oder was wird das?« Das Model klang extrem ungeduldig. »Es wird langsam kalt hier beim Rumstehen.«
Lutz Terfoorth stimmte ihr sofort zu und fügte außerdem hinzu: »Trauen Sie sich jetzt nicht mehr? Dann fahren wir allein. Wir sind keine Angsthasen.«
Das Model lachte mit klappernden Zähnen. »Gute Idee. Wir fahren jetzt.«
Der Schatten war wieder verschwunden.
Simon schüttelte den Kopf. Entweder wurde er jetzt paranoid oder da war jemand unterwegs, der hier nicht hingehörte. Aber hier oben zu bleiben, hatte überhaupt keinen Sinn. Er musste mit seinen Gästen den Hang hinunter fahren und unten mit allen zusammen ins Hotel zurückkehren. Alle eng beieinander, damit keiner verloren ging. Die Löwen packten sich immer das Mitglied einer Antilopen-Herde, das sich von den anderen entfernte. Die Herde war der einzige Schutz für die körperlich unterlegenen Tiere. Sie mussten zusammen bleiben, dann waren sie sicher.
Simon drehte sich zu seinen Skifahrern um. »Es geht los. Fahren Sie dicht hinter mir. Und los!«
Er stieß sich mit dem Skistock ab, den er in der rechten Hand hielt, und fuhr los. In der anderen Hand hielt er die Fackel. Langsam setzte er sich in Bewegung und fuhr zwischen den ersten Gästen im Spalier hindurch. Seine Fackel beleuchtete ihre Gestalten im Schnee, bis sie vorüber waren und die Nacht zwischen ihnen erhellte. Er zählte lautlos. Noch standen alle Gäste da.
Leise zischten Simons Skier über den Schnee und wurden dabei immer schneller. Alle Gäste standen am Hang, rieben sich die kalten Hände oder hüpften auf den Beinen auf und ab, um sich warm zu halten. Keiner fehlte bisher oder lag reglos im Schnee.
Simon versuchte, das Tempo etwas zu drosseln und lauschte nach hinten, um zu hören, ob die anderen ihm noch folgten. Er hörte das gleichmäßige Geräusch ihrer Skier – zwischendurch erklang auch ein Jubler von Lutz Terfoorth – und hoffte, dass auch der hinterste noch da war. Der Hang war sehr lang.
Aber je weiter er nach unten kam, desto ruhiger wurde er. Seine Gäste standen alle wohlbehalten im Schnee, nichts war passiert. Flink wich er einer trickreichen Delle im Boden aus, die sich plötzlich vor ihm befand. Doch da seine Gedanken woanders weilten, war er unachtsam. Sein linkes Bein folgte der Bewegung nicht schnell genug. Es scherte aus. Simon strauchelte. Ein Bein mit dem Ski verlor die Bodenhaftung, Simon neigte sich gefährlich dem Schnee entgegen.
Ein Aufschrei ging durch die Gäste, aber Simon fing sich schnell wieder. Nur wenige Augenblicke später fuhr er wieder aufrecht auf zwei Beinen. Als die Piste gerade wurde, wagte er es, sich umzudrehen. Hinter ihm schien alles in Ordnung zu sein. Seine Skifahrer folgten ihm durch die Dunkelheit, keine Schreie waren zu hören, kein Geräusch eines Falls. Friedlich fuhren sie alle hintereinander durch das Spalier aus Fackellicht nach unten.
Simon wollte sich gerade erlauben, aufzuatmen und die Endphase einzuleiten, als er plötzlich stutzte. Da war der Schatten wieder. Und dieses Mal waren es sogar mehrere! Und zu den Schatten gehörte auch Licht. Fackellicht!
Von der linken Seite des Berges kam ein heller Schein, der sich schnell immer weiter nach unten bewegte.
Simon war jetzt am unteren Ende des Hangs angelangt und blieb stehen. Auch die Fahrer hinter ihm bremsten ab und kamen wohlbehalten zum Stehen. Ihnen folgten langsam die Gäste, die das Spalier auflösten, und näherten sich ihnen.
Plötzlich kam hinter dem Hügel ein fremder Skifahrer mit Fackel in der Hand zum Vorschein, dahinter noch einer und noch einer. Ihnen folgten ein paar Leute auf einem Schlitten, ebenfalls mit Fackeln. Und dahinter liefen ein paar Menschen mit Lichtern in der Hand und rannten atemlos hinterher. Und ganz am Ende fuhr – Huber.
Simon starrte ihn fassungslos an und beobachtete, wie er immer langsamer wurde und mit den anderen schließlich nur
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