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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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sehr sorgfältig ausgesucht hatte. Daß ein Kommandant den Sohn eines alten Freundes als Midshipman einstellte oder jemandem aus anderen Gründen einen Gefallen tun wollte, war durchaus üblich. Farquhar hatte anscheinend für sein Schiff von diesem Gewohnheitsrecht ausgiebig Gebrauch gemacht.
    Breen schien sich verpflichtet zu fühlen, noch etwas zu sagen.
    »Ich denke dauernd an diesen Matrosen, Larssen. Aber ich bin schon wieder in Ordnung, Sir. Tut… tut mir leid, daß ich mich damals so angestellt habe.«
    »Das braucht Ihnen nicht leid zu tun. Ein Degen muß sich biegen können. Wenn er zu starr ist, bricht er gerade dann, wenn man ihn am nötigsten braucht.«
    Warum versuchte er, Breen vor dem Unvermeidlichen zu bewahren? Jeder mußte das früher oder später durchmachen. Er erinnerte sich, was er seinerzeit als junger Leutnant nach einer Seeschlacht empfunden hatte. Wenn die Kanonen donnerten und der wilde Kampf tobte, blieb keine Zeit, den Toten Achtung zu erweisen oder sich um die Verwundeten zu kümmern. Die Toten, ob Freund oder Feind, gingen über Bord, und die Schreie der Verwundeten verstärkten nur den Kampfeslärm. Wenn die Kanonen dann schwiegen und die Schiffe auseinandertrieben, so zerschossen, daß keiner wußte, war er Sieger oder Besiegter, dann war die See mit treibenden Leichen bedeckt. Manchmal, wenn der Wind während des Gefechtes abflaute, als hätte er Angst vor der Wildheit des Kampfes, schwammen sie noch zwei Tage lang um das Schiff, und man mußte mit ihrem Anblick leben. An dergleichen dachte er oft und würde es nie vergessen.
    »Hier – trinken Sie ein Glas Ingwerbier«, sagte er freundlich. Der arme Breen mit seinen rauh geschrubbten Händen und seinem schmuddeligen Hemd glich eher einem Schuljungen als einem Offizier des Königs. Aber wer in seinem Städtchen oder seinem Dorf hatte Malta gesehen? Hatte ein Seegefecht mitgemacht? Und wie viele hatten überhaupt eine Ahnung von der Stärke und Reichweite der Flotte, von ihrem Material und ihren Männern?
    Farquhar, ein Teleskop in der Hand, stand im Türrahmen und warf einen kalten Blick auf den Jungen, der eben genüßlich einen Schluck nahm.
    »Das Segel ist wieder außer Sicht, Sir.«
    »Die
Lysander

kann es nicht gewesen sein?«
    »Zu klein.« Farquhar scheuchte Breen mit einer kurzen Kopfbewegung hinaus und fuhr fort: »Eine Brigg, meint der Ausguck. Ein guter Mann. Irrt sich kaum.«
    Jetzt, da der Sturm vorbei war, hatte sich Farquhar wieder besser in der Gewalt. Vielleicht spielte er das alte Wartespiel: danebenstehen und sehen, was aus Bolitho wurde.
    Dieser ging ans offene Heckfenster, lehnte sich hinaus und blickte in die kleinen, blasenwerfenden Wirbel, die um das Ruder spielten. Ein schöner klarer Himmel, und die scharfe Kimm hinter dem dicken Rumpf der
Nicato
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blieb leer. Die Brigg mußte mehr von den beiden Linienschiffen gesehen haben als diese von ihr.
    »Sagen Sie den Ausgucks, sie sollen besonders gut aufpassen. Schicken Sie ihnen auch Teleskope hinauf.«
    »Sie halten die Brigg für ein französisches Schiff, Sir?« fragte Farquhar neugierig. »Sie kann uns doch wenig schaden.«
    Er sah Farquhar unbewegt an. »Vielleicht. Mein Schwager in Falmouth besitzt eine große Farm und viel Land. Er hat auch einen Hund. Wenn ein Wilderer oder Vagabund sich auf seinem Grund und Boden sehen läßt, spürt der Hund ihn auf. Aber er bellt nicht und beißt nicht – bis der Fremde in Schußweite einer Flinte kommt.«
    Farquhar starrte auf die Karte nieder, als gäbe es da etwas Besonderes zu sehen.
    »Sie meinen, sie verfolgt uns, Sir?«
    »Schon möglich. Die Franzosen haben hier viele Freunde. Die sind nur zu gern bereit, Nachrichten zu übermitteln, denn das könnte ihnen das Leben erleichtern, wenn die Trikolore ihren Besitz erst vergrößert hat.«
    Unsicher erwiderte Farquhar: »Und selbst wenn dem so ist, Sir, können die Franzosen doch nicht wissen, wie stark wir in Wirklichkeit sind.«
    »Sie sehen jedenfalls, daß wir keine Fregatte haben. Wenn ich ein französischer Admiral wäre, fände ich diese Information sehr wertvoll.«
    Er ging zur Tür. Aus der Tiefe seines Hirns stieg eine Idee auf.
    »Rufen Sie doch mal Ihren Segelmacher, ja? Ich komme gleich nach oben.«
    Auf dem Achterdeck hielten mehrere Matrosen neugierig mit der Arbeit inne und werkten dann mit vermehrtem Eifer weiter. Vielleicht dachten sie, Bolitho sei von seinem Fieber noch etwas durcheinander. Er ließ sich von der leichten Brise abkühlen und

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