Eine letzte Breitseite
weit vor dem verminderten Geschwader sichten würde, zerschlug sich innerhalb weniger Tage nach dem Ankerlichten. Der Wind drehte nach Norden und frischte stark auf; alle Mann waren mit fieberhafter Eile beim Segelbergen, und sogar der Master der
Osiri
s
war überrascht von dem unberechenbaren Wetter. Der Wind fegte jetzt von der Adria herunter und verwandelte die sanfte blaue Dünung in eine Wüste schaumköpfiger, steiler Wogen; der Himmel über den schwankenden Masten war eine einzige dichte Wolkenbank.
Tag um Tag trotzten die beiden Linienschiffe mit ihren schweren Rümpfen dem Sturm, und hinter den dichtgemachten Stückpforten quälten sich die Mannschaften mit dem ewigen Rollen und Stampfen des Schiffs herum, jeden Moment gewärtig, daß die Bootsmannspfeifen schrillten und es hieß: »Alle Mann auf zum Marssegelreffen!« Und dann kämpften sie oben den gefahrvollen Kampf gegen den Wind, auf den Fußpferden stehend, den Leib gegen die schwankende Rah gepreßt, Hand über Hand, Zoll für Zoll, die mörderische Leinwand einholend.
Die
Buzzard
,
die solchem Wetter nicht gewachsen war, wurde aus dem Verband entlassen und konnte vorm Wind davonsegeln, so daß die verbleibenden Schiffe mit dem Heulen des Sturmes und dem Donnern der überkommenden, alles durchweichenden See alleinblieben wie in einer Arena, die noch dazu immer kleiner wurde. Denn stündlich verschlechterte sich die Sicht, kaum noch waren Regen und Spritzwasser voneinander zu unterscheiden, und aus welcher Richtung sie der Wind in der nächsten Minute anfallen würde, wußte keiner vorauszusagen.
Bolitho selbst kam sich in diesen endlosen Tagen vor, als ginge die
Osiri
s
ihn im Grunde gar nichts an. Die Gesichter, die er an Deck sah, waren ihm fremd; die Gesprächsfetzen, die sein Ohr erreichten, bedeuteten ihm nichts. Auch Farquhar kam ihm ganz anders vor. Mehrfach hatte der Kommandant Ausbrüche von Jähzorn gehabt, die selbst den toleranten Outhwaite erschreckten; einmal hatte er einen Bootsmannsmaaten angeschnauzt, weil dieser nicht hart genug zugeschlagen hatte, als ein Mann in einer Sturmbö nicht aufentern wollte. Der Bootsmannsmaat hatte erklären wollen, daß der Betreffende kein richtiger Seemann sei, sondern ein Küfersmaat. Denn bei dem Sturm hatten so viele Matrosen Verletzungen erlitten, daß der Bootsmannsmaat, genau wie die Offiziere, die Leute hernehmen mußten, wo er sie kriegen konnte.
»Keine Widerrede!« hatte Farquhar gebrüllt. »Sie haben ja schon selbst Leute gepeitscht! Wenn Sie mir noch einmal wiedersprechen, dann werden Sie selbst spüren, wie das tut!«
Und der Mann wurde mit Schlägen hinaufgetrieben, rutschte vom Fußpferd ab und fiel über Bord, ohne daß man auch nur einen Schrei hörte.
Wie mochte wohl Herrick diesen Sturm abwettern, und wo mochte er in diesen schrecklichen Tagen sein? fragte sich Bolitho immer wieder.
Farquhar jedoch meinte: »Wenn dieses Mistwetter nicht wäre, hätte ich die
Lysander
schon längst eingeholt!«
Bolitho hielt das für leeres Gerede. »Glaube ich kaum«, hatte er erwidert. »Die
Lysande
r
ist das schnellere Schiff. Und sie wird gut geführt.«
Das mochte Farquhar gegenüber unfair sein; doch dem war Herricks Schicksal anscheinend so gleichgültig, daß Bolitho sich alle Mühe geben mußte, um nicht noch öfter solche bissigen Beme rkungen zu machen. Wie die vorwurfsvolle Stimme des Gewissens vernahm er in seinem Innern immer wieder die Worte:
E
s
war
dein
e
Entscheidung
.
D
u
has
t
Herric
k
z
u
har
t
angefaßt
.
D
u
war
s
t
zu
ungeduldig.
Es
ist
deine
Schuld
.
Und dann, eine Woche nach Syrakus, flaute der Sturm ab und drehte auf Nordwest; doch als der Himmel wieder klar und die See tiefblau war, wußte Bolitho, daß es tagelanges mühsames Kreuzen kosten würde, die Distanz wieder aufzuholen, die sie während des Sturmes eingebüßt hatten.
Jedesmal, wenn er an Deck war, fiel ihm auf, daß die Offiziere der Wache ihm auswichen und sorgfältig vermieden, ihm bei seinen einsamen Gängen auf der Kampanje näher zu kommen. Seine selbstgewählte Einsamkeit gab ihm Zeit zum Nachdenken; aber ohne neue Informationen war das, als pflüge man altes Land um, weil man nichts zu säen hatte.
Am Vormittag des neunten Tages studierte er in seiner Kajüte die Karte und trank einen Krug Ingwerbier dazu – Farquhar hatte sich davon einen guten Vorrat zum eigenen Verbrauch mitgenommen. Farquhar würde sich ins Fäustchen lachen, wenn in Korfu schließlich doch nichts zu Tage
Weitere Kostenlose Bücher