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Eine letzte Breitseite

Eine letzte Breitseite

Titel: Eine letzte Breitseite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Marschkolonne dahin. Wie oft schon war er an dieser Küste in beiden Richtungen entlanggesegelt, jetzt marschierte er hier. Im Geist sah er die Namen auf der Karte vor sich, wie Gedenksteine am Weg: Cartagena, knapp vierzig Meilen entfernt. Alicante, Valencia – an jede Stadt hatte er Erinnerungen. Vor fünf Jahren allerdings war Spanien noch mit England verbündet gewesen.
    Er merkte, daß ein Befehl flüsternd nach hinten durchgegeben wurde, eilte nach vorn und sah, daß Leroux, Nepean und ein Unteroffizier in leiser Beratung beieinanderstanden.
    Leroux machte keine überflüssigen Worte. »Das ist Corporal Manners, Sir, ein in jeder Hinsicht erfahrener Soldat. Er hat den Vortrupp geführt.« Ernst blickte er Bolitho an. Möglichst ruhig, obwohl hier bestimmt etwas sehr schiefgegangen war, fragte dieser: »Ihr Vortrupp hat die Rinne erreicht?«
    Leroux nickte. »Berichten Sie dem Kommodore, Manners.«
    Der Marine-Infanterist sprach Cornwalldialekt, Heimatklänge für Bolitho. »Die Rinne ist schon da, Sir. Aber da muß ‘n großer Einsturz gewesen sein. Es geht fast senkrecht hinunter, hoch wie die Wand einer Kathedrale. Ich war nämlich Hauer im Zinnbergwerk in Cornwall, ehe ich anmusterte, Sir.«
    »Dann wissen Sie, wovon Sie reden.« Bolitho sah an ihnen vorbei und suchte das Unerwartete zu verarbeiten.
    »Ich
könnt
e
ja probieren, an ‘ner Wurfankerleine hinunterzuklettern, Sir.«
    Bolitho schüttelte den Kopf. »Im Dunkeln ist das zu gefährlich.« Er blickte Leroux an. »Was meinen Sie?«
    »Es würde Stunden dauern«, antwortete der Major. »Und selbst wenn wir es schafften, wären die Männer hinterher zu erschöpft für ein Gefecht.«
    »Und die
Lysander

wäre schon in der Bucht.«
    Verzweiflung überkam Bolitho. Blind war er gewesen und zu dumm, ein natürliches Hindernis einzuplanen, das alle Vorbereitungen zu bloßer Zeitvergeudung machte und nur unnütz Menschenleben kostete. Er hatte sich auf die spärlichen Angaben der Karte und auf seinen Übereifer verlassen. Und auf – er stieß sich an dem Wort – auf seinen Rachedurst.
    »Wir müssen die Rinne umgehen, Sir.« Leroux blickte ihn gespannt an; er war ebenso betroffen. »Jedoch…«
    »Eben, Major Leroux. Dieses ›jedoch‹ ist das Problem.«
    Leutnant Nepean warf ein: »Dann umgehen wir eben die Verteidigungsanlagen der Bucht und stürmen die Batterie von der Landseite her, Sir.«
    Leroux seufzte. »Geben Sie durch an Sergeant Gritton: Weitermarsch hinter dem Vortrupp her. Etwas anderes bleibt uns jetzt auch gar nicht mehr übrig, Sir«, sagte er leise zu Bolitho. Es hätte wie ein Vorwurf klingen können, aber es war keiner.
    Gilchrists lange Gestalt tauchte aus dem Dunkel auf. »Ich höre, wir können nicht durch die Rinne, Sir.«
    »Stimmt.« Bolitho versuchte zu erkennen, wie Gilchrist darauf reagierte. »Also müssen wir doch unseren Gewaltmarsch machen.« Wieder stapften die Marine-Infanteristen an ihm vorbei, die Musketen umgehängt; jeder starrte mit gebeugtem Kopf auf die Beine seines Vordermannes. Die meisten wußten gar nicht, warum sie überhaupt hier waren. Aber sie hatten
Vertrauen
.

Es war, als riefe ihm jemand dieses Wort zu. Das war alles, was sie hatten, und er hatte es enttäuscht.
    »Ich mache mir nur Sorgen um das, was danach kommt, Sir«, sagte Gilchrist dumpf, wandte sich um und nahm seinen Platz an der Spitze der nächsten Gruppe wieder ein.
    »Dieser Mann fällt mir auf die Nerven, Sir«, knurrte Leroux. Bolitho blickte ihn von der Seite an. »Dienstlich ist Captain Herrick durchaus mit ihm zufrieden.«
    Leroux hieb mit seinem Säbel nach einem Busch. »Ich rede nicht gern über andere Leute hinter ihrem Rücken.«
    »Erinnern Sie sich noch an Ihr Wort von vorhin, Major?« Wieder ein wütender Hieb Leroux’ nach einem Strunk Heidekraut.
»
J
e
doc
h

…«
    »Ich weiß, daß Captain Herrick schon früher mit Ihnen gefahren ist, Sir. Das ganze Geschwader weiß es. Er ist ein feiner Mann und gerecht. Auf einem Linienschiff beides zusammen zu sein, ist gar nicht so leicht.«
    »Da haben Sie vollkommen recht, Major. Thomas Herrick ist seit der amerikanischen Revolution mein Freund. Er hat mir mehr als einmal das Leben gerettet.«
    »Und Sie ihm auch, möchte ich annehmen, Sir.« Leroux warf einen raschen Blick auf die Reihe seiner keuchenden Seesoldaten.
    »Herrick hat eine Schwester, wissen Sie das, Sir?«
    »Ja. Das arme Mädchen hat viel auszuhalten. Auch das weiß ich.«
    »Ja, sie ist gelähmt. Ich habe sie

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