Eine letzte Breitseite
recht, Sir.«
Fünfzehn Minuten später liefen die Gig und die große Barkasse auf harten Sand, Matrosen sprangen über Bord und bis zum Gürtel ins Wasser, Waffen wurden herausgereicht, das Ruder belegt, Bolitho und Gilchrist rannten, Degen in der Hand, den Strand hinauf.
Dies war der kritische Augenblick. Bolitho verhielt bei einem Felsbrocken, starrte in die Finsternis, versuchte, über Wind und See etwas zu erlauschen.
Aber es kam kein Anruf, keine Salve knatterte mit blitzendem Mündungsfeuer aus dem Dunkel. Und mit jeder kostbaren Minute kamen mehr Männer aus dem flachen Wasser und ordneten sich eilig zu einer Marschkolonne. Immer mehr weißes Lederzeug schimmerte fahl in der Nacht, und als erst die Kutter eintrafen, die draußen noch auf Anzeichen von Gegenwehr gewartet hatten, war die kleine Bucht gedrängt voll stummer Gestalten.
Major Leroux eilte den Strand herauf. »Alles angetreten, Sir.«
»Recht so. Lassen Sie die Boote in Strandnähe warten. Plowman soll eine Stunde verstreichen lassen und dann zum Schiff zurückrudern, wie besprochen.«
Leroux winkte seiner Ordonnanz. Eine Stunde mußte ausreichen, um festzustellen, ob sie eine Erfolgschance hatten.
Während die Boote von ihren erschöpften Besatzungen ein Stück aus der Brandung gerudert wurden, konnte Bolitho die allgemeine Unsicherheit der Zurückbleibenden direkt spüren. Trotz ihres militärischen Status’ waren die Marine -Infanteristen keine Landratten. Der Gedanke, sich allein auf fremdem Terrain zu befinden, ohne Verbindung zum Schiff und der einzigen Lebensweise, welche die meisten von ihnen kannten, beunruhigte sie.
»Schicken Sie Ihre Vorhut los, Major Leroux«, sagte er.
Der Major nickte. »Wir brauchen auch ein paar gute Männer als Flankenschutz.« Er eilte weg, und in kürzester Zeit war die ganze Landeabteilung auf dem Vormarsch.
Das Gelände war ungefähr so, wie Grubb und Plowman es geschildert hatten, doch erwies sich der Pfad, der durch die Hochfläche über dem Strand führte, rauher als erwartet. Wild fluchten die Männer in der Finsternis; ein paarmal hörte Bolitho, wie Nepean oder ein Sergeant drohend Ruhe befahlen. Nach einer Stunde etwa ließ Bolitho rasten, und während die Männer zu beiden Seiten des Pfades hockten, rief er seine Offiziere zusammen.
»In fünf Stunden wird es heller.« Midshipman Luce schüttelte Steinchen aus seinem Schuh; und wieder dachte Bolitho an Pascoe. In der Dunkelheit sah der Midshipman ihm sehr ähnlich. Sie waren gute Freunde gewesen – nein, sie waren es
noch.
»Nach unseren Berechnungen müssen wir eine Felsrinne übe rqueren und sind dann ganz nahe an der Bucht. Auf der Karte hat der uns am nächsten liegende Arm der Bucht lockeren, krümeligen, von Hochwasser zermahlenen Boden. Wenn es eine Küstenbatterie gibt, steht sie also wahrscheinlich auf dem anderen Landarm.«
»Das ist viel zu weit! Das schaffen wir nie, ehe die
Lysande
r
mit dem Angriff beginnt«, unterbrach Gilchrist erregt.
»Sprechen Sie mit mir, Mr. Gilchrist?« Es klang so gefährlich sanft, daß Luce rasch wieder in seinen Schuh fuhr und reglos lauschte.
»Entschuldigung, Sir. Es war nur ein Gedanke…« Gilchrist geriet etwas aus der Fassung.
»Freut mich zu hören.« Bolitho sah die anderen an. »Aber wir müssen nach Möglichkeit alle Geschütze ausschalten, die der
L
y
s
a
nder
gefährlich werden können, ehe sie den Angriff beginnt. Die Spanier mögen ja auf unseren Besuch nicht vorbereitet sein; aber sobald der erste Schuß fällt, wird aus dieser Bucht das reinste Ho rnissennest.«
Leroux schnallte sein Koppel fester. »Ganz meine Meinung, Sir.
Und je eher wir durch diese Rinne sind, um so lieber ist es mir.«
Bolitho sah sich um, er spürte Staub und scharfen Sand im Gesicht. Der Wind hielt sich also. Hoffentlich war Fortuna, wie Herrick es immer nannte, ebenso zuverlässig.
»Also dann weiter!« befahl er.
Leroux ging nach vorn, gab ein paar geflüsterte Kommandos, und die Seesoldaten formierten sich wieder auf dem Pfad. In der Dunkelheit wirkten ihre weißen Brustriemen wie eine lange, sich windende Schlange von weißen Kreuzen.
Immer noch rührte sich nichts vor ihnen in der Nacht: kein streunender Hund, kein schlaftrunkener Fischer, der sich zu seinem Boot hinuntertastete, weil er bei Morgengrauen auf Fang wollte. Verlassen und leer lag die ganze Küste da.
Merkwürdig – Bolitho konnte ganz zusammenhängend denken; innerlich und äußerlich beinahe entspannt schritt er neben der
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