Eine Liebe auf Korfu
sich.
„Sind Sie Engländerin? Das wollten Sie mir neulich nicht verraten.“
„Mein Vater war Engländer.“ Irritiert nahm sie noch ei nen Schluck Limonade. Auf Korfu kannte niemand außer Kate die Wahrheit. Warum erzähle ich ihm davon?
„Und Ihre Mutter? War sie Griechin?“ Während er sprach, beobachtete sie unwillkürlich seine ausdrucksvollen Lippen.
„Nein, Französin. Mein Vater lernte sie kennen, bevor er nach Griechenland kam. Leider starb sie schon, als ich noch ein Kind war.“
„Für Ihre Eltern muss es schwierig gewesen sein, weil England Krieg gegen Frankreich führte. Wahrscheinlich war Ihre Mutter königstreu und floh nach England.“
„Oh nein, Papa las sie 1793 in Frankreich auf – buchstäblich. Bei der Revolte im Vendée wurde ihr Ehemann getötet, und mein Vater fand sie in der Nähe von Niort.“
„Heiliger Himmel, da muss es doch Probleme gegeben haben.“
„Eigentlich nicht, obwohl der General gewisse Zweifel hegte. Aber Maman war so charmant – und Papa schon immer ziemlich unkonventionell. Also zuckte der General die Achseln und unternahm nichts. Sogar nach meiner Ge burt folgte meine Mutter dem Regiment meines Vaters von einer Station zur anderen. Ein paar Mal bin ich in England gewesen. Daran erinnere ich mich kaum. Bei Mamans Tod war ich zwölf Jahre alt. Ich blieb bei Papa. Dadurch wirkte seine Tarnung überzeugend, und er änderte meinen Na men in Alessa.“
Aus der Vergangenheit zurückgekehrt, blickte sie auf, und da bemerkte sie Benedicts forschenden Blick. „In die Ereignisse des Vendée waren keine britischen Truppen verwickelt – zumindest keine regulären. Also sind Sie die Tochter eines Nachrichtenoffiziers.“
„Ja.“ Nach allem, was sie erwähnt hatte, war es sinnlos, das zu leugnen. „1807 wurde Korfu von den Franzosen zurückerobert, und wir ließen uns hier nieder. Papa benutzte sein Boot immer nur nachts, um englische Agenten zu treffen. Die Einheimischen hielten ihn für einen Schmuggler – was natürlich sehr hilfreich war.“
„Aber er hätte erschossen werden können. Ist das letzten Endes geschehen?“
„Nein …“ Es dauerte eine Weile, bis ihr die Stimme wieder gehorchte. Sogar jetzt, nach so langer Zeit, fiel es ihr immer noch schwer, darüber zu sprechen. „Eines Nachts segelte er zu einem Treffen in Richtung Albanien. Plötzlich brach ein heftiger Sturm los – und Papa kam nicht zurück.“
5. KAPITEL
Fast alles hatte sie ihm erzählt. So viel, wie sie Kate anver traut hatte … Reiner Wahnsinn.
„Alessa …“ Um sein Mitleid abzuwehren, hob sie eine Hand. Aber er hielt ihre Finger fest. „Warum sind Sie immer noch hier? Wo ist Ihre Familie?“
„In der Stadt Korfu“, sagte sie, ihren Blick unverwandt auf das Orangenbäumchen gerichtet. „Außer Demetri und Dora habe ich keine Familie.“ Die reine Wahrheit …
„Aber Ihre Verwandten väterlicherseits müssen in England leben“, wandte Benedict ein, ohne ihre Hand loszulassen. „Tanten, Onkel, Vettern, Cousinen … Sicher wissen sie nicht, wie einsam Sie sind.“
„Papa wünschte keinen Kontakt … Nach Mamans Tod … Da wollten sie nichts mit mir zu tun haben. Und mich inte ressieren sie ebenso wenig.“
„Also haben Sie einen Einheimischen geheiratet. Aus Liebe? Oder um Sicherheit und Geborgenheit zu finden?“ Seine Stimme klang seltsam kühl.
Statt zu antworten, senkte sie den Kopf. Er hielt sie immer noch für eine Witwe. Aus unerfindlichen Gründen erschien ihr das vorteilhaft. Aber es widerstrebte ihr, ihn zu belügen, und so schwieg sie.
„Jetzt sind Sie nicht mehr verheiratet“, fügte er hinzu. „Nennen Sie mir Ihren Mädchennamen, und ich werde Erkundigungen einziehen. Dabei wird Sir Thomas mir helfen.“
„Nein.“ Mühsam zwang sie sich, seinen Blick zu erwidern. „Nein!“ Allein schon der Gedanke jagte ihr kaltes Entsetzen ein. Würde er verstehen, was sie empfand? Wohl kaum … Der Earl of Blakeney war ein Engländer, ein Aristokrat. Für ihn bedeuteten ein Zuhause und eine Familie alles – Reichtum, Status, Sicherheit, Unabhängigkeit. Für sie würde die Rückkehr nach England zur Gefangenschaft in der Fremde führen, verbunden mit der Angst, man könnte ihr die Kinder wegnehmen.
Zu ihrer Überraschung protestierte er nicht. Nachdenklich musterte er ihre Hand, die er immer noch umfasste. „Wie zart Ihre Haut ist … Eigentlich nahm ich an, all die Wäsche würde ihren Tribut fordern.“
„Vergessen Sie nicht – ich verdiene
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