Eine Liebe auf Korfu
zusammengekniffen, studierte Benedict die Eintragung. Die Heirat wurde nicht erwähnt, ebenso wenig ein Todesdatum. Scheinbar war der Ehrenwerte Alexander Meredith damals spurlos verschwunden. Oder er hatte sich irgendwo versteckt, mit seiner skandalösen französischen Gemahlin und seiner Tochter.
Mit aller Sorgfalt kleidete Benedict sich für das Dinner an, denn die erste Begegnung mit Lady Blackstone war nicht besonders erfreulich verlaufen. Nun musste er seine ganzen diplomatischen Fähigkeiten aufbieten.
Sir Thomas hatte ihm einen eleganten Spazierstock aus Ebenholz mit Silbergriff geliehen, und Benedict hoffte, damit würde er keine allzu lächerliche Figur abgeben, als er auf die breite Terrasse oberhalb der Bucht hinkte. Dort pflegten sich die Dinnergäste des Lord High Commissioners zu versammeln.
„Ah, mein lieber Junge!“ Sir Thomas, ein älterer Gentleman mit einer rosigen, von einem weißen Haarkranz umringten Glatze kam ihm entgegen. „Haben Ihre Schmerzen nachgelassen? Ja? Wundervoll! Nun, ich glaube, Sie haben alle meine Gäste schon kennengelernt, außer Lady Blackstone und Ms. Blackstone.“
Ihre Ladyschaft neigte den Kopf und lächelte höflich. Wie Benedict unschwer erriet, hatte sie beschlossen, ihre Begegnung mit einem bloßfüßigen Earl in Hemdsärmeln nicht zu erwähnen. Ms. Blackstone kicherte errötend.
„Unternehmen Sie eine Reise durch Griechenland, Lady Blackstone?“, fragte Benedict, nachdem Sir Thomas zu einer anderen Gruppe gewandert war.
„Mein Mann befindet sich gerade in Venedig – im Auftrag des Außenministeriums. Während der letzten Monate, die er dort verbringt, werden Frances und ich ihm Gesellschaft leisten.“
Eigenartig, dachte Benedict, die offenkundige Route von England nach Venedig führt nicht über Korfu. „Welch eine gute Idee, diesen Umweg zu wählen …“
Lady Blackstone lächelte verkniffen, und Benedict spür te ihr Unbehagen. Oh ja, sie verbirgt irgendetwas. Nun, solange es keine leidenschaftliche Affäre mit dem Lord High Commissioner ist …
„Dazu hatte ich mich entschlossen, weil Frances vermutlich nie wieder eine Gelegenheit finden wird, die klassischen Altertümer zu besichtigen.“
Nicht, dass auf Korfu klassische Ruinen zu sehen wären …
„Werden Sie länger hierbleiben, Lady Blackstone?“
Wieder ein kurzes Zögern. „Da bin ich mir noch nicht sicher. Eine sehr hübsche Insel … Blackstone legt großen Wert auf Frances’ humanistische Bildung.“
In diesem Moment kündigte der Butler das Dinner an und ersparte Benedict einen Kommentar. So schön Korfu auch sein mochte, Lord Blackstone würde es zweifellos vorziehen, der Tochter die Kunstschätze von Venedig zu zeigen, wo sie sicher interessantere gesellschaftliche Kontakte knüpfen könnte.
Formvollendet bot er Lady Trevick seinen Arm. „Gerade unterhielt ich mich mit Lady Blackstone. Sicher freuen sich Ihre Töchter über die Ankunft Ms. Blackstones, eines Hausgastes in ihrem Alter.“
„Ja, in der Tat.“ Lady Trevick nahm am unteren Ende der Tafel Platz und wartete, bis er neben ihr saß. „Allerdings weiß ich nicht, wie lange die beiden hierbleiben werden. Ich glaube, Lady Blackstone hat Verwandte auf der Insel.“
„Oh, wirklich?“, bemerkte Benedict in beiläufigem Ton und begann die Pläne für die neue Residenz zu erörtern, die Sir Thomas errichten lassen wollte. Am Kopfende der Tafel saß Lady Blackstone zwischen dem Gastgeber und Mr. Harrison, seinem Sekretär, dem sie anscheinend einige Fragen stellte.
Wenig später wurde der erste Gang serviert, Lachs mit verschiedenen Gemüsen. Als Benedict von seinem Teller aufschaute, begegnete er Frances Blackstones Blick. Das Haar modisch hochgesteckt, trug sie ein elegantes Seidenkleid, eine Perlenhalskette und Perlenohrringe. Wie würde Alessa in diesem Kleid aussehen, kunstvoll frisiert, mit Juwelen geschmückt? Bei diesem Gedanken lächelte er, Frances errötete wieder. Anscheinend glaubte sie, das Lächeln würde ihr gelten. Vorsicht, ermahnte er sich, oder du hast bald die falsche Cousine am Hals.
Erst am späteren Abend, als Alfred ihm aus dem Frack half, wurde ihm die Bedeutung dieses Gedankens bewusst, und er fluchte leise.
„Wie, bitte, Mylord?“
„Tut mir leid, Alfred, ich dachte an die Frauen.“
„Zweifellos ein faszinierendes Thema, wenn ich mir die kühne Bemerkung erlauben darf.“
„Wie recht Sie haben …“ Zweifellos könnte man stundenlang überlegen, warum man sich zu einer
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