Eine Liebe auf Korfu
klimperte mit den Wimpern. „Verzeihen Sie, Sir.“
„Beruhigen Sie sich, Madam, die Schuld liegt einzig und allein bei mir. Ich wollte Atem schöpfen, bevor ich die Stufen in Angriff nehme.“
Unter fein geschwungenen dunklen Brauen starrten ihn große grüne Augen an. Benedict runzelte die Stirn. Natürlich war es nicht Alessa. Diese junge Dame konnte höchstens neunzehn sein – mit braunem Haar, kleiner und rundlicher. Aber das Kinn, die Augen, die Brauen … Die beiden glichen einander wie Schwestern.
„Sicher sind Sie Lord Blakeney.“ Das Mädchen lächelte ihn an. „Soeben hat Lady Trevick Ihren Unfall erwähnt.
Darf ich Ihnen helfen?“
„Frances?“
Nun kam eine ältere Frau ins Treppenhaus, offensichtlich die Mutter der jungen Dame. Doch sie hätte auch Ales sas Mutter sein können! Diese Ähnlichkeit erschien ihm noch stärker. Erstaunt schüttelte er den Kopf, als müsste er Nebel aus seinem Gehirn verscheuchen. Nein, er litt nicht an Halluzinationen. Hochgewachsen und elegant, wenn auch sehr schlicht gekleidet, stand Lady Blackstone vor ihm – mit geschwungenen schwarzen Brauen über grü nen Augen.
„Mama, das ist Lord Blakeney“, erklärte Frances, ehe er zu Wort kam.
„Gestatten, Madam – Benedict Chancellor.“ Mit einiger Mühe brachte er seine Gesichtszüge unter Kontrolle und deutete sogar eine Verbeugung an. „Spreche ich mit Lady Blackstone?“
„Allerdings, Sir.“ Ein kühler Blick streifte sein Hemd, das am Kragen geöffnet war, und die weiße Matrosenhose und schweifte dann zu den nackten Füßen hinab. Vielleicht hielt sie ihn für einen gefährlichen Exzentriker, den sie nicht in die Nähe ihrer Tochter lassen durfte. Umso besser, dachte Benedict. „Wie ich höre, erholen Sie sich gerade von einem Unfall, Lord Blakeney. Vermutlich sehen wir uns beim Dinner. Komm mit mir, Frances.“
Wieder allein, biss Benedict die Zähne zusammen und schleppte sich die Treppe hinauf. Unmöglich, dass Lady Blackstone nicht mit Alessa verwandt war … Diese Erkennt nis warf eine interessante Frage auf. Was machte Ihre Ladyschaft auf Korfu? War sie nur zufällig hierher gereist?
In seinem Zimmer traf er Alfred an, den Kammerdiener, den Sir Thomas ihm zur Verfügung gestellt hatte und der gerade ein paar Sachen in der Schublade einer Kommode verstaute. „Soeben hat Kyria Alessa Ihre Kleidung zurückge bracht, Mylord.“
„Lassen Sie mich sehen.“ Benedict griff nach seinem Krawattentuch, das nach Rosmarin und einem anderen undefinierbaren Kraut duftete. Geduldig wartete der Kammerdiener, bis sein Herr das gebügelte Leinentuch zurückgelegt hatte. „Würden Sie Sir Thomas’ Sekretär ersuchen, mir einen Adelskalender zu leihen?“
„Gewiss, Mylord.“
Sobald der Mann davongeeilt war, griff Benedict wieder nach dem Krawattentuch und ließ es über seinen Hand rücken gleiten. Weich wie ihre Haut … So würde auch ihr Haar duften, nach Sonnenschein und Kräutern und Mee resluft.
Offenbar war Alessa von einem unkonventionellen Vater ihrer rechtmäßigen gesellschaftlichen Stellung beraubt worden. Und nun blieb sie auf dieser Insel, aus purem Eigensinn. Dass ihre englischen Verwandten nichts von ihr wissen wollten, konnte Benedict nicht glauben. Allem Anschein nach hatte es Differenzen wegen der französischen Ehefrau gegeben. Und Alessa geheimniste zu viel in die Geschichten hinein, die der Vater ihr erzählt hatte.
Gedankenverloren stand Benedict da, das Tuch in der Hand. Hastig stopfte er es in seine Hosentasche, als Alfred zurückkehrte.
„Der Adelskalender, Mylord“, erklärte der Diener und legte das Buch auf den Schreibtisch. „Um acht Uhr findet das Dinner statt. Soll ich Ihr Bad für sieben Uhr bestellen?“
„Ja bitte.“ Benedict blätterte bereits in dem dicken roten Band und entdeckte den Namen Henry, Lord Blackstone, der ihm irgendwie bekannt vorkam. Möglicherweise ein Offizier im diplomatischen Dienst … Verheiratet mit Honoria Louisa Emily Meredith, las er, der einzigen Tochter des verstorbenen Charles Meredith, des 3. Earl of Hambledon, und seiner Frau, der verstorbenen …
Voller Ungeduld blätterte er weiter, zur Eintragung Hambledon. Edward Charles Meredith war der 4. Earl, verheiratet, mit einer großen Familie, zu der ein Bruder und eine Schwester zählten – Lady Blackstone. „Der Ehrenwerte Alexander William Langley Meredith“, las Benedict den Namen des Bruders laut.
Alexander. Und Alessas richtiger Name lautete Alexand ra. Die Augen
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